Eckhard Laufer geht gerne spazieren. Der
sportliche Polizist aus dem idyllischen Taunus-städtchen
Usingen verbindet dabei seine Liebe zur Natur mit seinen
geschichtlichen Interessen. Schon in seiner Jugend hat er mit
seinem Vater Geländebegehungen unternommen und alte
Kulturdenkmäler entdeckt. Deshalb ließ er sich zum
ehrenamtlichen Denkmalpfleger ausbilden. Um so mehr ärgert er
sich, wenn er in Wald und Flur auf ein Gelände voller
Löcher stieß. Der kundige Hobby-Archäologe
weiß dann sofort, dass hier Raubgräber am Werk waren,
die mit High-Tech-Detektoren, GPS-Geräten, Bodenradar und
Spaten nach antiken Objekten suchten.
Kein Kavaliersdelikt
Gerade im Hochtaunus sei die Szene sehr
aktiv, berichtet der Polizeioberkommissar. Da er diesem Treiben
nicht tatenlos zusehen wollte, warb er innerhalb der Polizei
für eine verstärkte Ermittlungsarbeit. Es brauchte
einiger Überzeugungsarbeit, bis Polizei und Staatsanwaltschaft
dafür sensibel wurden, dass die Zerstörung von Kulturgut
kein "Kavaliers- delikt", sondern eine Straftat ist. Seit 2003
leitet Laufer im Bereich der hessischen Polizei eine "Zentrale
Sachbearbeitung für Raubgrabungsdelikte".
"Das Raubgräberproblem ist schon
schwerwiegend", meint auch Egon Schallmayer, Abteilungsleiter
für Archäologie und Paläontologie im hessischen
Landesamt für Denkmalpflege. "Schätzungsweise mehrere
tausend Fundstücke werden aus ihrem historischen Kontext
gerissen und damit der eingehenden wissenschaftlichen Auswertung
entzogen." Da aber erst der archäologische Zusammenhang den
Einzelgegenstand in einen sinnvollen Zusammenhang stelle und die
Vergangenheit illustriere, werde mit einer Raubgrabung
unwiederbringlich historisches Erbe zerstört. Das hat auch
finanzielle Konsequenzen: Eine Modellrechnung der
Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt hat am Beispiel
des spätkeltischen Oppidum "Heidetränk" im Taunus, einer
architektonisch bedeutenden Befestigungsanlage, die bisher noch
nicht flächendeckend erforscht ist, einen Schaden in zwei- bis
dreistelliger Millionenhöhe errechnet.
Raubgräber hatten das Oppidum
leergeräumt; Notgrabungen sollten wenigstens einige Daten
ermitteln. Der Schaden war jedoch zu groß, Aussagen über
die Bestattungsriten wurden kaum möglich. Bronze- und
Edelmetallobjekte waren verschwunden, zurück blieben wertlose
Eisenfunde. Experten rechneten mit bis zu 60.000 ausgegrabenen
Objekten, von denen nur ein Bruchteil gemeldet wurde.
Schatzsucher und Wissenschaftler hätten
konträre Interessen, beschreibt Laufer ein fundamentales
Problem: "Schatzsucher haben eine Art
Indiana-Jones-Mentalität, sie wollen etwas Schönes,
Wertvolles finden. Der wissenschaftliche Kontext ihres Fundes
interessiert sie nur bedingt."
In den letzten Jahren arbeiten Polizei und
Denkmalpflege verstärkt daran, die Öffentlichkeit
über dieses Kapitel gefährdeter Geschichte zu
informieren. Die Behörden setzen auf die Kooperation mit der
Schatzsucherszene und erteilen jährliche
Nachforschungsgenehmigungen für ein begrenztes Territorium -
in Hessen etwa 200. Der Sondengänger geht seinem Hobby auf
diese Weise legal nach, verzeichnet die Koordinaten des Fundorts
und legt seine Funde der Denkmalbehörde vor. Nach der
wissenschaftlichen Auswertung erhält er sie später
zurück.
Werner Franke, der erste Vorsitzende der
Schatzsuchervereinigung "IG Phoenix Rhein-Main", legt großen
Wert darauf, zwischen legalen Sondengängern und illegalen
Raubgräbern zu unterscheiden. Es gebe auch "legale
Möglichkeiten" der Suche, die nicht in den
Entscheidungsbereich der Behörden fielen. Die mit dem
Eigentümer abgesprochene Suche nach einem verlorenen
Gegenstand sei ebenso gestattet wie das Auffinden von verlorenem
Kirchengerät. Zudem dürften in Hessen Gegenstände,
die nach 1648 in den Boden gelangt sind, gehoben werden.
Manche Aufregung versteht Franke nicht:
Seiner Ansicht nach zerstört der Straßen-, Häuser-
und Industriebau mehr Bodendenkmäler als die Schatzsucher. Und
wenn Funde auf Ackerboden lägen, die seit Jahrhunderten
landwirtschaftlich genutzt würden, sei der archäologische
Befund sowieso nicht mehr vorhanden. Seriöse Sondengänger
würden ihre Funde nicht wie die Raubgräber eigenen
Sammlungen einverleiben, sondern Museen zur Verfügung
stellen.
Unseriöse Schatzsucher
Anders als Franke betrachtet Laufer, der 2005
vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz mit der
"Silbernen Halbkugel" geehrt wurde, die Schatzsucherszene sehr
skeptisch. Er schätzt nur 20 bis 30 Prozent der
Sondengänger als seriös ein. Wird ein Raubgräber in
Hessen erwischt, droht ihm ein Bußgeld bis zu 25.000 Euro
wegen des Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz sowie eine
Anzeige wegen Diebstahls und Hehlerei, der Einzug der technischen
Geräte und die Beschlagnahmung der Funde. Geldbußen
hätten aber nach Laufers Erfahrungen auf die Szene kaum
abschreckende Wirkung. Polizei und Denkmalpflege wünschen sich
deshalb strengere Gesetze. So besitzt Hessen - anders als die
meisten Bundesländer - keine gesetzliche Verankerung des
"Schatzregals", dem zufolge archäologische Kulturgüter
grundsätzlich dem Staat gehören.
Raubgräberei ist allerdings nicht allein
ein hessisches Problem, erklärt Wolfgang Schönleber vom
"Arbeitsbereich Kunst und Antiquitäten" im Landeskriminalamt
Baden-Württemberg. Sein Bundesland habe eine lange Grenze zu
Bayern, das anders als Baden-Württemberg kein "Schatzregal"
besitze. Oft "verlegten" ertappte Raubgräber ihren Fundort
einfach ein paar Kilometer Richtung Bayern: "Dort sind sie
straffrei - und wir sind machtlos", ärgert er sich. Die
Lösung könne nur "eine bundeseinheitliche, besser eine
europaweite Regelung" sein.
Laufer setzt auf Prävention. Er will Einsteiger in die
Schatzsucherszene für denkmalpflegerische Belange gewinnen,
denn die Gefahr, in die Illegalität abzurutschen, sei "sehr
groß". Das Umdenken falle notorischen Raubgräbern
ausgesprochen schwer. "Die meisten ändern sich nicht. Das
belegen die Gerichtsverfahren. Kriminologisch kann man von
Intensivtätern sprechen, die nicht mehr kurierbar sind."