Grietje Bettin drückt ihr Mikrofon auf
"An", die rote Lampe leuchtet, und sagt: "Ich muss Sie jetzt
unterbrechen. Auch wenn ich Sie abwürge." Dabei lächelt
sie so, als hätte sie ihrem Gegenüber gerade etwas Nettes
gesagt. Doch der Mann versteht schon. Beim Fachforum
"Computerspiele: Was wird hier gespielt?" wird er nicht mehr weiter
kommen. Er ist Lobbyist, Vertreter der Spieleindustrie, und hat
schon öfter mit der Bundestagsabgeordneten der Grünen zu
tun gehabt. Grimmig schaut er auf die Bank vor sich.
"Der Einfluss der Lobbyisten ist in der
Politik insgesamt zu stark", sagt Grietje Bettin später in
ihrem Büro. Manche Gesetze würden heute fast allein von
Lobbyisten geschrieben. "Aber die Schwachen dieser Gesellschaft
können sich keine Lobby leisten. Die Politik gerät
dadurch in die Schieflage."
Die 31-Jährige, die seit 2000 im
Deutschen Bundestag sitzt, macht in den Medien nicht viel Aufhebens
um sich. Bettin steht für ein anderes, fast altmodisches
Verständnis von Abgeordneten: Sie ist Fachpolitikerin. Die
medienpolitische Sprecherin versteht ihr Büro als
"Schaltzentrale" der Partei zu diesem Thema. Dazu gehört auch
die Problematisierung der Unabhängigkeit der Medien, aber auch
die von Politikern.
Grietje Bettin ist in ihrem Leben von einem
Schlüsselerlebnis geprägt. Als sie zehn Jahre alt war,
starb ihr Vater. Sie war das zweite von insgesamt vier Kindern. Um
etwas Geld zu verdienen, trug sie in ihrer Heimatstadt Eutin
dreimal in der Woche Zeitungen aus, ging Babysitten und sammelte im
Wald Bucheckern. "Diese Zeit hat meinen Sinn für Gerechtigkeit
geprägt", sagt sie. "Geschadet hat mir das nicht."
Bettin gehört zu einer neuen Generation
der Grünen. Lagerdenken gibt es bei ihr nicht, das hat sie
schon früh als stellvertretende Schülersprecherin
gelernt. Ihr "vorgesetzter" Sprecher war ein Konservativer. Mit ihm
musste sie lernen, differenziert zu argumentieren, um sich
durchzusetzen.
Entsprechend haut Bettin auch in ihren
Forderungen nicht einfach auf den Putz, etwa wenn sie beim Thema
"Killerspiele" nach dem Amoklauf eines Schülers nicht gleich
pauschale Verbote fordert. Computerspiele seien Teil einer
lebendigen Jugendkultur und man müsse vielmehr fragen, "was in
einem Schüler vorgeht, der zu Taten wie in Erfurt oder
Emsdetten bereit ist".
Schon während ihrer Schulzeit in Eutin
war Bettin der Grünen Alternativen Jugend beigetreten und
wurde bereits 1996 zur Landesgeschäftsführerin in
Schleswig-Holstein gewählt. Anders als andere Youngster blieb
sie auch nach Frusterlebnissen, wenn etwas nicht gleich klappte, am
Ball. "Ich habe immer ein Ziel vor Augen, das ich erreichen will."
Während ihres Studiums der Diplompädagogik heuerte sie
als Köchin an. Gleich am ersten Abend musste sie Schnitzel
braten - eine Premiere mit Rauchschwaden, aber sie durfte
bleiben.
Grundsätzlich gilt für sie:
"Meckern ist zu einfach. Lieber machen." Als sie mit 25 Jahren in
den Bundestag kam und unter lauter älteren Herren in dunklen
Einreihern zunächst im Innenausschuss landete, hatte sich ihr
Respekt schnell gelegt. "Man muss gut in der Sache sein", ist sie
überzeugt. "Dann kommt man auch weiter." Obwohl sie jetzt, wo
sie nicht mehr zu den absoluten Küken unter den Politikern
zählt, bemerkt, dass Frauenpolitik zur Förderung von
Frauen nach wie vor wichtig ist. "Je höher man steigt, desto
dünner wird die Luft."
Bettin ist in ein politisches Netzwerk
eingebunden, das über die Grünen hinausgeht. Ihr Ehemann
ist der frühere Parlamentarische Staatssekretär der SPD,
Ditmar Staffelt. Eingeladen vom Wirtschaftsminister, für die
Grünen nach Kuba zu fliegen, verbrachte die Delegation bei
einem Essen sechs Stunden mit Fidel Castro. Der Maximo Lider
schenkte ihr zum Abschied eine Rose. Geheiratet hat sie
Staffelt.
Wie es sich jetzt in der Opposition lebt, wo
der Ehemann in der Regierung ist? Letztlich seien sie sich in
vielen grundsätzlichen Fragen ohnehin einig, sagt Bettin. Das
einzige, was für sie ungewohnt ist, sind die Debatten im
Plenum. "Da klatscht man nun an unterschiedlichen Stellen."