Ohne den Amsterdamer Vertrag von 1998
hätte es vielleicht noch länger gedauert. Das Elterngeld
ist da. Der gesetzliche Anspruch auf eine Kindergartenplatz
für jedes Kind ab drei Jahren auch. Die Erwerbstätigkeit
der Frauen hat die 60-Prozentmarke überschritten. Frauen waren
noch nie so gut ausgebildet wie heute. Aber: Rund die Hälfte
aller Frauen arbeitet Teilzeit (45 Prozent). Wenn sie arbeitslos
sind, sind sie es durchwegs länger als Männer. Der
Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern für die
gleiche Arbeit liegt in der Bundesrepublik bei 26 Prozent -
Spitzenreiter in der EU. Der Anteil von Frauen in
Führungspositionen ist zwar von 2000 bis 2004 auf 22 Prozent
gestiegen, in Ostdeutschland sogar auf 28. Der Anteil von
Müttern allerdings ist gleichzeitig wieder
zurückgegangen. Soviel zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- für Frauen.
Im Sinne der EU ist das nicht. Ihre
Mitglieder haben sich im Amsterdamer Vertrag verpflichtet,
"Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von
Männern und Frauen zu fördern". Das ist ein klares Mandat
für die Frauenförderung. Gleichzeitig will die EU diese
spezifischen Maßnahmen mit der Strategie des Gender
Mainstreaming kombinieren.
Größte Herausforderung für
das soziale Europa hinsichtlich der Gleichstellung ist immer noch
der Arbeitsmarkt. Deswegen ist die Gleichstellung als
Priorität in der Eu-ropäischen
Beschäftigungsstrategie (EBS) festgeschrieben worden. Mit
ihrer Hilfe soll die EU der "wettbewerbsfähigste und
dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt"
werden.
Eines der wichtigsten Finanzinstrumente der
EBS sind die Europäischen Struktur-fonds, wie etwa der
Europäische Sozialfonds (ESF) oder der für die regionale
Ent-wicklung (EFRE). Die Verpflichtung zur Gleichstellung ist
integraler Bestandteil sämtlicher Fonds. Zudem hat der
Europäische Rat im März letzten Jahres in Brüssel
den "Europäischen Pakt der Gleichstellung der Geschlechter"
beschlossen. Dieser zielt insbesondere auf den Arbeitsmarkt der
Mitgliedstaaten. Soweit die Theorie.
Doch was genau bringen Vorgaben aus
Brüssel vor Ort? Wie gelingt die Übersetzung in den
einzelnen Mitgliedsstaaten und die Umsetzung bis hinunter in die
Regionen, die Bundesländer? Über den ESF beispielsweise
werden und wurden zahlreiche Projekte im Bundesgebiet für
Regionen im Strukturwandel oder benachteiligte Zielgruppen
unter-stützt. In Frankfurt am Main etwa bietet das "Zentrum
für Weiterbildung" unter dem Namen "Equal-IT-y" spezielle
IT-Fortbildungen für Frauen und Mädchen an, weil diese
Zielgruppe in der Entwicklung hin zur Wissens- und
Informationsgesellschaft noch Nachholbedarf hat. Gefördert
wurde bis 2006 mit über zwei Millionen Euro. Im Berliner
Bezirk Marzahn-Hellerdorf, einem sozialen Brennpunkt, hat das
"Helliwood Medienzentrum" mit ESF-Mitteln ein dauerhaftes Netzwerk
zur Förderung des lebens-langen Lernens in der Region
etabliert. Ein anderes Beispiel der Finanzierung aus dem
Regionalentwicklungsfonds EFRE sind die "Regionalstellen Frau und
Beruf", von denen es in Nordrhein-Westfalen zuletzt 46 gab. In so
genannten "Ziel 2-Gebieten", im Wesentlichen das Ruhrgebiet und der
Kreis Heinsberg, also Regionen, die in ihrem starken Strukturwandel
unterstützt werden sollen, wurden die Stellen aus dem EFRE
kofinanziert.
In den letzten 17 Jahren hatten die
Regionalstellen ein nahezu flächendeckendes Netz in so
genannten strukturschwachen Regionen des bevölkerungsreichsten
Bun-deslandes gebildet. Vor Ort konnten sich einzelne Frauen, aber
auch Arbeitgeber oder die Sozialpartner, in Sachen Berufswahl,
Wiedereinstieg, Unternehmensgründung oder betriebliche
Frauenförderung kompetenten Rat einholen, sich vernetzen oder
Weiterbildungen organisieren.
Eine dieser Regionalstellen war "FATZ -
Frauen, Arbeit, Technik, Zukunft" in Reck-linghausen. Nur gibt es
die nicht mehr. Genau wie alle anderen 45 Regionalstellen wurde
auch diese zum 31. Dezember 2006 durch die Landesregierung
geschlossen. Geschäftsräume, Zeitungsabonnements oder
Providerverträge mussten gekündigt werden. Alles wurde
auf Null gesetzt.
Damit sind seit Jahren etablierte Strukturen
für die Herstellung der Chancengleichheit für Frauen auf
dem Arbeitsmarkt zunächst lahm gelegt. Für neue Projekte
müssen komplett neue Zielgruppen gefunden werden. Der
zuständige Minister in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, hat
mitgeteilt, dass künftig "die Aufgaben der Regionalstellen
durch Regelangebote der jeweils fachlich zuständigen
Häuser wahrgenommen werden" sollen.
Im Klartext: Gezielte Frauenförderung
wird hier mit dem Rückverweis auf Gender Mainstreaming, eine
Querschnittaufgabe, geopfert.
Die ehemalige Leiterin von FATZ, Gabriele
Thiesbrummel, blickt trotzdem positiv in die Zukunft.
Nachfolgeprojekte wurden inzwischen entwickelt und bewilligt, aber:
"Man hätte die alten Regionalstellen nach 15 Jahren wenigstens
evaluieren können, ein Controlling durchführen
können! Was einfach kaputt gemacht wurde, ist der Kontakt mit
den Frauen, das Netzwerk zwischen Betrieben, Frauen und
Weiterbildungsein-richtungen."
Trotz der Schließungen bleibt zu
hoffen, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht
nur in NRW weiter vorangetrieben wird. Voraussetzung wäre
aller-dings, dass die Ministerien wirklich mitziehen, und auch,
dass bis zur Abschaffung der nach wie vor bestehenden, gravierenden
Ungleichheiten neben Gender Mainstreaming eben auch dezidiert die
Frauenförderung weiter betrieben wird - so wie es die
EU-Verträge und -förderrichtlinien auch vorgeben.
NRW ist übrigens nur ein Beispiel und
keineswegs einzigartig. Es war das so ziemlich letzte Bundesland,
in dem die Regionalstellen geschlossen wurden - soweit die
Praxis.
Die Autorin ist freie Journalistin in Bonn.
STICHWORT
EUROPÄISCHE UNION - Maßnahmen zur
Frauenförderung
- Gender Mainstreaming Der Ausgleich
struktureller Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern wird als
Querschnittsaufgabe von den Europäischen Strukturfonds
gefördert, darunter die Gemeinschaftsinitiative EQUAL.
- Fahrplan 2006-2010 Unter anderem ist ab 2007
ein EU-Netzwerk von Frauen in wirtschaftlichen und politischen
Entscheidungspositionen geplant.
- Es soll spätestens 2008 in Litauen eröffnet werden,
technische Unterstützung der Gemeinschaftspolitik leisten
sowie Untersuchungen und Kampagnen durchführen. Budget 2007
bis 2013: 52,5 Millionen Euro.