Dass Frauen in der Wissenschaft seltener
Karriere machen als Männer ist eine Erkenntnis so alt wie die
Geschichte von Frauen in akademischen Berufen selbst. Sie sind nach
wie vor seltener in höheren Qualifikationsstufen anzutreffen,
und Statistiken erfassen nur jene Wissenschaftlerinnen, die den Weg
durch die Institutionen tatsächlich antreten. Eine frühe
Entscheidung gegen die akademische Tour de Force ist jedoch
zahlenmäßig wenig belegt. Laut einer 2006
durchgeführten Studie des Instituts für
Forschungsinformation und Qualitätssicherung liegt die
Promotionsneigung von Frauen in den Sprach- und
Kulturwissenschaften mit rund 15 Prozent um die Hälfte
niedriger als bei ihren männlichen Kollegen. In den
Ingenieurswissenschaften sind es sogar nur zwölf Prozent. Ein
Blick in die Informatik bestätigt die angedeutete Richtung:
2005 haben hier nach Angaben des Kompetenzzentrums "Technik -
Diversity - Chancengleichheit" gerade mal 9,8 Prozent Frauen eine
Promotion abgeschlossen.
Zauberwort Fachkultur
Für die Unterrepräsentanz von
Wissenschaftlerinnen bei steigender Flughöhe wurden in der
Vergangenheit entweder weibliche Sozialisationsbedingungen
herbeizitiert oder geschlechtsspezifische Formen institutioneller
Diskriminierung. In Zeiten von Frauenquoten und Gender
Mainstreaming greifen diese Erklärungsmodelle zunehmend zu
kurz - zumal eine junge Generation von Akademikerinnen sich nicht
mehr im Fahrwasser eines Benachteiligungsdiskurses thematisiert
sehen will. Fachkultur heißt deshalb das Zauberwort, mit dem
Frauenbeauftragte und Hochschulpolitikerinnen landauf, landab
argumentieren. "In wissenschaftlichen Fachkulturen spielen
Rolemodels eine große Rolle. Und die sind in den meisten
Disziplinen männlich besetzt", so Heidi Degethoff de Campos,
Frauenbeauftragte an der Berliner Technischen Universität.
Auch ihre Kollegin an der Freien Universität Berlin ist der
Überzeugung, dass die Veränderung des durch
männliche Perspektiven geprägten
Selbstverständnisses der Fachwissenschaften ein zentraler
Aspekt moderner Frauenförderung ist. "Neben individuellen
Beratungs- und Professionalisierungsangeboten sehen wir unsere
Aufgabe vor allem darin, mit finanziellen Steuerungsmitteln den
Frauendurchschnitt in den verschiedenen Qualifikationsstufen
anzuheben", sagt Mechthild Koreuber. "Das schafft Akzeptanz
für das Thema Frauen in der Wissenschaft. Und das
verändert die bislang ja männlich dominierten
Wissenschaftskulturen."
Frauen ist demnach mit nichts weniger gedient
als mit der Unterstellung spezifisch weiblicher Karrierehindernisse
wie Kinderwunsch oder Angst vor fachlichen Ringkämpfen. Es
geht vielmehr um die Möglichkeit, den eigenen Fachbereich
mitzugestalten und dabei nicht auf eine Exotenrolle verwiesen zu
bleiben. Nicht zuletzt solche Möglichkeiten tragen zu
folgender Entwicklung bei: 2005 wurden 46,5 Prozent aller
Promotionsverfahren an der Freien Universität Berlin von
Frauen bestritten. Bei den Habilitationen brachten sie es im selben
Jahr auf fächerübergreifend 36,8 Prozent. Die
Münchner Ludwig-Maximilian-Universität verzeichnete
2004/2005 einen Promovendinnen-Anteil von insgesamt 50 Prozent.
Auch der Blick in die Natur- und Technikwissenschaften stimmt froh:
Entfielen noch 1998 weniger als zehn Prozent aller Habilitationen
an der Technischen Universität Berlin auf Frauen, so waren es
2005 bereits knapp 18 Prozent. Von neuen Fachkulturen kann man
deshalb vielleicht noch nicht sprechen. Aber der Weg dorthin ist
beschritten.
Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.