Tarja Halonen
Huch, wie konnte denn das passieren, mag so mancher Finne
gedacht haben, als die "rote Tarja", wie sie nicht nur wegen ihrer
Haarfarbe oft genannt wird, im Januar 2000 die
Präsidentschaftswahlen gewann. Ihr Gegner im Kampf um das Amt
des Staatsoberhauptes war Esko Aho: Vorsitzender der
bürgerlichen Zentrumspartei, gut aussehend, Familienvater und
ein Jahrzehnt zuvor, 1991, mit 36 Jahren der jüngste
Ministerpräsident, den die Finnen je hatten. Ein Siegertyp,
einer, der die Wahl einfach hätte gewinnen müssen.
An seiner Stelle trat am Wahlabend in
Stockholm jedoch Tarja Halonen auf das Siegertreppchen. Die
57-Jährige gewann erst im zweiten Wahlgang, aber die
Wähler hatten ein Zeichen gesetzt - "für die Emanzipation
der Frauen", wie die schwedische Tageszeitung "Aftonbladet"
später schrieb.
Wegen ihrer ungewöhnlichen Biografie
wurden Halonen schlechtere Chancen vorhergesagt: Die
Sozialdemokratin war früher Vorsitzende einer Organisation
für sexuelle Gleichberechtigung, sie ist aus der Kirche
ausgetreten, hat eine Tochter allein groß gezogen und lebte
mit ihrem Freund lange in "wilder Ehe" zusammen - bis sie ihn zwei
Jahre nach ihrer Wahl doch heiratete.
Ihren Aufstieg bremste das nicht - Halonen
war oft und in vielen Dingen die Erste: Sie war die Erste, die in
ihrer Arbeiterfamilie studierte (Jura), sie wurde erste
Justizministerin des Landes (1990-1991), erste
Außenministerin (1995-2000) und schließlich, 2000, die
erste Frau an der Spitze des finnischen Staates - über 90
Jahre nachdem die Finnen mit der Einführung des
Frauenwahlrechts 1906 einen Riesenschritt in Richtung
Gleichberechtigung gemacht hatten. Eine Premiere in Europa.
Halonens Freude über diesen Triumph
wurde allerdings nicht ganz unerheblich getrübt durch eine vor
ihrer Wahl längst verabschiedete Verfassungsänderung:
Ihre Arbeit ist inzwischen ausschließlich
repräsentativer Natur, in der Innen- und Außenpolitik
kann sie kaum noch Einfluss nehmen, im Gegensatz zu den
Staatsoberhäuptern vor ihr.
Halonen hat ihre eigene Strategie
entwick-elt, dieser Entmachtung entgegenzutreten: Sie besteht
darauf, dass sie an EU-Gipfelkonferenzen ebenfalls teilnehmen kann,
weshalb für Finnland als einzigem EU-Staat immer zwei
Plätze im Sitzungssaal reserviert werden. Eine Beharrlichkeit,
mit der sie sich nicht nur Freunde gemacht hat: Zwar sind ihre
Popularitätswerte in Finnland nach wie vor sehr hoch, aber sie
sind gesunken; die finnischen Medien bezeichneten Halonen zuletzt
häufig als stur, launisch und uneinsichtig.
Im Januar 2006 gelang ihr nur knapp die
Wiederwahl. Im Wahlkampf hatte sie unter anderem ihre
frauenpolitischen Ziele noch einmal deutlich gemacht: "… die
Gleichstellung von Mann und Frau ist noch nicht verwirklicht",
betonte sie und versprach: "Ich werde nicht aufhören, das
anzuprangern!"
Als Staatspräsidentin hat die "nette
Sozialtante", als die sich Tarja Halonen augenzwinkernd selbst
bezeichnet, dafür noch fünf Jahre Zeit.