Es gibt Fragen, bei denen geht Claudia
Dittmann innerlich an die Decke. Als was sie denn arbeite, wolle
man häufig bei Telefonumfragen von ihr wissen, nicht selten
folgt darauf bohrend der Nachsatz: Oder sei sie etwa "nur" Hausfrau
und Mutter? Die Stimmen am anderen Ende der Leitung sind oft jung
und noch öfter weiblich, die Frage ist sicher nicht böse
gemeint. Und doch klingt dieses "nur" in den Ohren von Claudia
Dittmann lange nach. Nur? Die 40-Jährige schüttelt
energisch den Kopf. "Was ich den ganzen Tag mache, ist ein
Full-Time-Job", stellt sie fest. "Das ist ein Beruf."
Vor vier Jahren, als sie ihren ersten Sohn
erwartete, hängte Claudia Dittmann ihre Stelle als
Versicherungskauffrau an den Nagel, während ihr Mann, ein
Jurist, weiter arbeiten ging und seither das Geld für die
Familie allein verdient. "Uns war schon immer klar", sagt Dittmann,
"wenn wir heiraten und Kinder bekommen, bleibe ich zu Hause und
kümmere mich um die Familie."
Dittmann hat die blonden Haare lose zu einem
Zopf gebunden, vor ihr auf dem Holztisch steht ein Strauß
frischer Frühlingsblumen. In dieser Doppelhaushälfte,
hier im Berliner Villenviertel Heiligensee, wirkt die Welt noch ein
wenig wie im Margarine-Werbespot: Im kleinen Garten stehen
Kinderrutsche und Vogelhäuschen; es gibt Pralinen zum Tee und
durch die blank geputzten Fenster leuchtet die Wintersonne in das
Wohnzimmer. Hier sitzt Claudia Dittmann mit ihrem kleinsten Sohn,
der drei ist und viel lacht, die Hände auf ihrem Babybauch,
der sich deutlich unter dem grauen Fliespullover abzeichnet. In
wenigen Tagen kommt der dritte Sohn zur Welt. "Für mich ist
das Zusammensein mit den Kindern das Wichtigste auf der Welt", sagt
sie. "Man lernt durch sie, dass es noch etwas Schöneres im
Leben gibt, als arbeiten zu gehen."
Wenn der kleine Benedikt geboren ist, wird
sie mindestens drei weitere Jahre zu Hause bleiben. Sie wird
weiterhin jeden Morgen um sieben aufstehen und Frühstück
für die Familie machen. Sie wird den Großen in den
Kindergarten bringen und den Kleinen Mittagessen kochen, sie wird
waschen, bügeln und putzen, und das so lange, bis am Abend ihr
Mann nach Hause kommt und die Kinder ins Bett bringt. Dann erst hat
Claudia Dittmann "Feierabend".
Raus aus der Statistik
"Undenkbar!", würden viele Frauen in
ihrem Alter wohl sagen. Finanziell abhängig sein vom Ehemann?
Den eigenen Beruf aufgeben, um Tag für Tag Brei zu kochen und
auf dem Spielplatz zu sitzen? Nein. Die bekennenden, sagen wir,
"glücklichen" Hausfrauen wie Claudia Dittmann sind rar
geworden in Deutschland - unklar ist schon, wie viele es davon
überhaupt noch gibt.
Rund fünf Millionen Hausfrauen nennt das
Statistische Bundesamt im Jahr 2003 (dazu rund 110.000
Hausmänner). Doch die Statistik sagt nichts darüber aus,
wie lange die Frauen tatsächlich zu Hause bleiben und aus
welchen Gründen. Sechs Monate nach der Geburt eines Kindes? 20
Jahre? Kinderlos, kein Job, aber nicht arbeitslos gemeldet? Oder
doch "echte" Hausfrau, womöglich auf Lebenszeit? Und weil das
so ist, fallen die Hausfrauen in diesem Jahr auch erstmals aus der
Statistik. Sie haben als Messgröße ausgedient, "die"
Hausfrau gibt es in Deutschland anno 2007 nicht mehr.
Gesellschaftlicher Druck
Claudia Dittmann indes glaubt nicht, dass
sich alle Frauen freiwillig gegen ein Leben als Hausfrau
entscheiden. Sie vermutet, dass es weit mehr Frauen gibt, die "im
Grunde ihres Herzens" lieber bei den Kindern bleiben würden,
als zwischen Beruf und Familie hin- und her zu pendeln. "Die Frauen
bleiben nur nicht zu Hause, weil die Gesellschaft es so von ihnen
erwartet", ist sie überzeugt - eine Auffassung, die Monika
Wittkowski, die Vize-Präsidentin des Deutschen
Hausfrauen-Bundes (DHB) und zugleich Vorsitzende des Berliner
Landesverbandes, teilt: "Das Denken geht doch heute in die
Richtung: Eine Frau ist nur vollwertig, wenn sie Familie und Beruf
unter einen Hut bringt. Hausfrauen, Frauen, die Familienarbeit
machen, werden kaum anerkannt, die haben es enorm schwer. Da
heißt es immer: Du hast es ja gut. Du bist ja nur zu Hause.
Was für ein enormer gesellschaftlicher Druck."
Ihr Verband bekommt diese veränderte
Einstellung Hausfrauen gegenüber deutlich zu spüren - die
Klientel schrumpft. Der über 91 Jahre alten Organisation
sterben die überwiegend älteren Mitglieder langsam weg
und Nachwuchs ist kaum in Sicht. "So jemand wie Frau Dittmann, eine
junge, 40-jährige Hausfrau mit Kindern, das ist genau unsere
Zielgruppe", sagt Wittkowski, die selbst 18 Jahre mit ihren drei
Kindern zu Hause geblieben ist. Länger schon sucht die patente
Verbandsleiterin händeringend nach Meisterinnen, die die
Mitglieder in Hauswirtschaft ausbilden möchten. "Aber
Hauswirtschaft hat leider nicht mehr eine so große Lobby",
bedauert die 57-Jährige. Kaum jemand wolle noch lernen, wie
man Wäsche und Möbel pflegt, wie man näht oder
kocht. In Berlin hat der Verband inzwischen noch 450 Mitglieder,
darunter allerdings, bemerkt Wittkowski stolz, auch drei
Männer. Demnächst muss der DHB in günstigere
Mieträume umziehen, weil zu wenig Menschen den Monatsbeitrag
von fünf Euro zahlen.
Für die Chefin des Berliner
Hausfrauen-Bundes ist das, bei allem Verständnis für den
Lebensstil der jungen Frauen heute, nicht nachvollziehbar. Denn ihr
Verband mache letztlich, betont sie, "Lobbyarbeit für alle
Frauen". "Der Beruf 'Hausfrau' ist als solcher zwar seit 1969
gesetzlich anerkannt. Aber Hausfrauen werden auch heute weder
bezahlt, noch erwerben sie Rentenansprüche. Wenn ihr Mann
stirbt, erhalten sie nur 60 Prozent seiner Rente", rechnet sie vor.
"Und erst seit 1992 ist geregelt, dass Frauen, wenn sie zu Hause
bleiben, pro Kind drei Jahre auf die Rente angerechnet bekommen.
Was vorher war, zählt nicht." Wittkowski zieht daraus eine
ernüchternde Konsequenz: "Hausfrau zu sein bedeutet in diesem
Land nach wie vor ein Armutsrisiko."
Seit Jahren versucht der DHB, daran etwas zu
ändern. Vergeblich.
Claudia Dittmann sorgt sich um solche Dinge
allerdings weniger. Sie räumt offen ein, dass sie ein
privilegiertes Leben führt: "Das kann sich sicher nicht jeder
leisten, dass nur einer in der Familie arbeiten geht", sagt sie.
Mehr beschäftigt sie schon die Überheblichkeit, mit der
ihr einige Mitmenschen begegnen. "Was ich als Hausfrau und Mutter
mache, bekommt null Anerkennung. Man wird behandelt wie ein
Trutchen. Als ob ich hier den ganzen Tag häkeln und mir die
Nägel lackieren würde!" Dabei, betont sie, sei Kinder
erziehen auch Arbeit. Und was für eine, fügt sie, leicht
verärgert über diesen ewigen Rechtfertigungsdruck, hinzu:
"Im Grunde sind es doch die Mütter, die zu Hause bleiben, die
unsere Gesellschaft voranbringen. Indem wir nämlich unsere
Kinder so erziehen, dass sie sozial gerecht sind und keine
Schlägertypen werden. Das leistet keine Institution."
Starker Tobak für alle
berufstätigen Frauen. Sind sie also alle Rabenmütter?
Dittmann relativiert: "Es sollte jedem selbst überlassen
bleiben, ob er arbeiten geht oder nicht. Das sollte man nicht
gleich verurteilen."
Doch im Gegenzug erwartet sie, dass man auch
ihr Respekt entgegenbringt: "Ich habe hier ein tolles Leben mit den
Kindern. Ich habe mich bewusst dafür entschieden. Kann man das
nicht einfach mal anerkennen?