Michelle Bachelet
"Wir sind auf die Straße gegangen und haben gefeiert -
glücklich, dass eine Frau zur Präsidentin gewählt
worden ist, und voller Hoffnung und Vertrauen, dass Michelle
für die Ärmsten der chilenischen Gesellschaft eine
Stütze sein wird." Das erzählt Margarita, eine
Sozialarbeiterin in Chiles Hauptstadt Santiago. Am Wahltag, dem 15.
Januar 2006, drängt sie sich mit einer halben Million Menschen
in die Hauptstraße Paseo Alameda, um Michelle Bachelet zu
bejubeln. Bereits nach den ersten Zwischenergebnissen lassen die
Anhänger die Sektkorken knallen. Mit rund 53,5 Prozent der
Stimmen wurde aus dem Gespür Realität.
Bachelet ist die erste Präsidentin
Chiles und die erste Präsidentin Südamerikas
überhaupt. Und: Sie ist Agnostikerin - in einem sonst
überwiegend katholischen Land -, geschieden und
alleinerziehende Mutter dreier Kinder von zwei verschiedenen
Vätern. Dass diese Frau heute an der Spitze des Andenstaates
steht, ist eine kleine Revolution. Aber: "Fähigkeit ist keine
Frage des Geschlechts", sagt Bachelet in einem Interview mit der
österreichischen Zeitung "Der Standard" zu ihrem Amtsantritt
am 11. März 2006. Gleichwohl sieht sie in ihrer Wahl den
Ausdruck für Veränderung, für einen Wertewandel und
Toleranz.
Mit dieser Einschätzung dürfte die
ehemalige Kinderärztin Recht haben. In der Bevölkerung
kann sie vor allem auf eines bauen: Glaubwürdigkeit,
begründet in ihrer Biografie. Der Name Bachelet ist auf dem
politischen Parkett Chiles nicht unbekannt: Michelle, 1951 geboren,
ist die Tochter des Luftwaffengenerals Alberto Bachelet, der
während des Putsches loyal zu Salvador Allende stand, 1973 in
Haft genommen und monatelang gefoltert wurde, bis er starb. Auch
Michelle und ihre Mutter wurden von der so genannten Dina, der
Regimepolizei, in dem Folterzentrum "Villa Grimaldi"
körperlich misshandelt. Bachelet behält die Details
dieser Zeit für sich und bekräftigt, sie habe keine
Rachegefühle. Sie wisse aufgrund ihres politischen und
historischen Verständnisses, warum manche Dinge passiert
seien.
Mit ihrer Mutter flieht Bachelet ins Exil -
erst nach Australien, später in die DDR. Dort lernt sie auch
ihren Ex-Mann kennen, wie sie ein Exil-Chilene. Schon Ende der
1970er-Jahre kehrt sie nach Chile zurück. Noch immer
beherrscht die Diktatur das Land. Bachelet schließt sich der
Sozialistischen Partei an, die im Untergrund arbeitet.
Das Gewaltregime des Augusto Pinochet endet
erst 1990. Der Sozialist Ricardo Lagos gewinnt die
Präsidentschaftswahlen. Er ist es, der Michelle Bachelet auf
die politische Bühne holt - zunächst als
Gesundheitsministerin, später, 2002, als Ministerin für
Verteidigung. Das war der Beginn der kleinen Revolution, die
Bachelet, diese "ganz normale chilenische Hausfrau", wie sie selber
gerne sagt, an den Gipfel des Landes brachte.
Einen Gipfel, der für eine Frau,
Sozialistin, nicht religiös, alleinerziehend und geschieden
wohl einst schwerer zu bezwingen schien als jede Andenspitze.