Frau Ministerin, eine persönliche Frage zu Beginn: Als Ärztin, Ministerin und Mutter von sieben Kindern stehen Sie nicht für ein althergebrachtes, sondern für ein modernes Frauenbild. Sie sagten einmal von sich, sie könnten nicht kochen. Kann denn Ihr Mann kochen?
Mein Mann kocht wie ich - Riesenmengen, Nudeln, Kartoffeln, Reis und Gemüse. Bei uns kommt es darauf an, dass es gesund ist, für alle reicht und schmeckt. Ich würde gerne lernen, fein und differenziert zu kochen - aber unerfüllte Wünsche muss es ja geben, oder?
Sie sind nun mehr als ein Jahr im Amt: Was ist die Bilanz, wenn es darum geht, die Lage von Frauen zu verbessern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern?
Wir haben sehr konkrete Schritte unternommen. Wir haben das Elterngeld eingeführt, einen Meilenstein in der Familienpolitik. Zum ersten Mal gibt eine Bundesregierung mit den Partnermonaten handfeste materielle Anreize, damit sich beide Eltern an der Erziehungsarbeit beteiligen.
Wir haben außerdem dafür gesorgt, dass haushaltsnahe Dienstleistungen und Kinderbetreuungskosten steuerlich besser absetzbar sind. Damit erleichtern wir Familien den Alltag und schaffen Jobs. Beides hat eine breite gesellschaftspolitische Debatte ausgelöst, bei der deutlich geworden ist, dass junge Frauen und junge Männer die Fähigkeiten, die sie durch den freien und gleichberechtigten Zugang zu Bildung erworben haben, beruflich entfalten möchten. Andererseits wird im Beruf Kindererziehung immer noch als Nachteil gewertet. Nicht einmal ein Viertel der Führungspositionen in Deutschland sind von Frauen besetzt, und für die gleiche Arbeit erhalten Frauen weniger Geld als Männer. Es ist sehr wichtig, dass die Diskussion über solche Ungerechtigkeiten weitergeht. Denn dann ist die Chance größer, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die Kindererziehung und berufliche Perspektiven für Väter wie für Mütter lebbar machen.
Warum machen Sie kein Gleichstellungsgesetz?
Gleichstellung ist ein eminent wichtiges gesellschaftspolitisches Thema. Es gibt aber kluge Instrumente, die Gleichstellung stärker voranbringen, als das ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft könnte.
Ein Beispiel dafür sind die Partnermonate beim Elterngeld. Ein Gleichstellungsgesetz würde vor allem Umgehungsstrategien auslösen. Im Bildungswesen ist das Problem gleicher Chancen für junge Frauen und Männer weitgehend gelöst, mehr noch: Mädchen ziehen inzwischen an Jungen vorbei. Der Bruch kommt in dem Moment, da Kinder geboren werden. Es ist daher wichtig, die Verantwortung gleichmäßiger auf die Schultern von Vater und Mutter zu verteilen und damit Erziehung auch aufzuwerten. Und es geht darum, dass junge Frauen ihren berechtigten Anspruch durchsetzen können, mit ihren Fähigkeiten diese Welt mitzugestalten. Die Wirtschaft ist darauf angewiesen, das hohe Potenzial von Frauen besser zu entwickeln.
Hat die Wirtschaft diese Aufgabe schon erkannt? Bemüht sie sich tatsächlich um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Sicher ist nicht die ganze Wirtschaft ein engagierter Verfechter der gelebten Balance von Familie und Beruf. Aber es bewegt sich im Moment sehr viel, eine Entwicklung, die auch durch den demografischen Wandel ausgelöst wird. Die führenden Unternehmen, vor allem diejenigen, die international agieren, haben verstanden, dass junge Frauen genauso mobil sind wie Arbeitsplätze und Kapital. Sie gehen dorthin, wo sie neben ihrem Beruf eine Familie gründen können. Es ist uns gelungen, ein Netzwerk von Firmen zu gründen, die sich als Unternehmensphilosophie die Vereinbarkeit von Beruf und Familien auf die Fahnen geschrieben haben. Wie viel Dynamik in diesem Thema steckt, zeigt sich daran, dass dieses Netzwerk seit dem Startschuss im Sommer auf mehr als 400 Unternehmen gewachsen ist. Auch die Anfragen aus kleinen und mittleren Unternehmen nach Ratschlägen und Informationen zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf an unser Ministerium steigen drastisch an.
Es gab anfangs gegen Ihre zentralen Vorhaben auch heftigen Widerstand aus Ihrem eigenen politischen Lager, aus der Union. Wie haben Sie die Revolution von oben durchgesetzt?
Was sind die nächsten Ziele, die sich die Bundesfamilienministerin vorgenommen hat?
Wir wollen im Jahr 2007 zwei große Themen voranbringen. Wir wollen gesamtstaatlich mehr in frühkindliche Bildung investieren. Ich sage "gesamtstaatlich", weil ich mir sehr bewusst bin, dass Bildung im Prinzip Sache der einzelnen Bundesländer ist und der Bund hier nur sehr eingeschränkte Kompetenzen hat. Ich bin mir mit dem Koalitionspartner SPD einig, dass aber der Nachholbedarf im Ausbau, der Flexibilität und der Qualität frühkindlicher Bildung nicht an der gespannten Kassenlage der Kommunen und erst recht nicht an Elternbeiträgen hängen bleiben kann.
Die wenigen Kinder, die nachwachsen, müssen in 30 Jahren auf dem Höhepunkt des demografischen Wandels für deutlich mehr Menschen Verantwortung tragen. Dazu brauchen sie Bildung, die zu Innovation und Arbeit führt und dabei kommt es auf den Anfang an. Unser zweites großes Ziel ist die Stärkung von Mehrkindfamilien unabhängig von den Transferleistungen. Da geht es um eine Kinderkomponente im Ehegattensplitting. Das Kompetenzzentrum des Familienministeriums untersucht gegenwärtig alle 145 Familienleistungen in Deutschland auf ihre Wirksamkeit. Und Anfang des Jahres 2008 werden wir dann Vorschläge machen, wie wir die Unterstützung für Familien noch weiter optimieren können.
Im Familienbericht der Bundesregierung kommen Wissenschaftler zu dem Schluss: Moderne Familienpolitik muss Gleichstellungspolitik sein. Teilen Sie diese Forderung?
Wir teilen sie nicht nur, wir wenden sie an. Männer und Frauen müssen sich auf gleicher Augenhöhe begegnen, sie sollen gleiche Rechte und Pflichten haben. Frauen wollen heute selbstverständlich und zu Recht Kinder haben und ihren Beruf ausüben. Gleichstellung bedeutet heute aber auch, die Rolle des Mannes in den Blick zu nehmen. Es ist für mich eines der wichtigs-ten Themen von Familienpolitik, die Rolle des Vaters zu entwickeln, seine Rechte wie seine Verantwortung für den Alltag der Kinder. Wir haben aber noch einen zweiten Komplex, in dem Gleichstellung wichtig ist, der oft nicht gesehen wird: Die Frage der Pflege der älteren Generation wird eine He-rausforderung sein, der sich nicht nur Töchter stellen müssen, sondern auch die Söhne. Nicht jeder Mensch hat Kinder. Aber jeder Mensch hat Vater und Mutter. Die Frage, wie wir mit der wachsenden Zahl der älteren Menschen umgehen, betrifft jeden. Und jeder, egal ob Mann oder Frau, wird sich mit ihr auseinandersetzen müssen.