Ludwig Georg Braun, Präsident des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), pflegt ein
enges Verhältnis zur amtierenden Bundesfamilienministerin.
Gemeinsam mit Ursula von der Leyen (CDU) gründete er das
Unternehmensnetzwerk "Erfolgsfaktor Familie" und kassierte
dafür ein dickes Lob: "Ich habe enorme Hochachtung vor
Männern wie Ludwig Georg Braun, der familienbewusste
Personalpolitik als Topmanagement-Thema platziert hat",
schwärmte die Ministerin im Magazin "karriere".
Schon zu Renate Schmidt (SPD) hatte der der
fünffache Vater einen guten Draht. Regelmäßig
veranstalteten der Unternehmer und Schmidt Pressekonferenzen. Ihr
gemeinsames Motto: Der Ausbau der Kinderbetreuung und
familienfreundliche Maßnahmen rechnen sich für Staat und
Unternehmen. Braun ist es gelungen, die Verbesserung der
Kinderbetreuung auf die Prioritätenliste der Bundesregierung
zu setzen. "Es kollidiert mit vielen betrieblichen Abläufen,
wenn Kindertagesstätten in der Regel schon am Nachmittag
schließen", kritisiert er und fordert: "Der Gesetzgeber muss
die Kitas in die Lage versetzen, bei Bedarf Samstagsöffnungen
oder späte Öffnungszeiten anbieten zu können."
Arbeitsleben für beide Eltern
Auch der Bundesverband der Deutschen
Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA), der Verband deutscher
Unternehmerinnen, der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordern den Ausbau der
Kinderbetreuung. Unternehmer und Gewerkschafter wissen, dass wegen
der demografischen Entwicklung bald ein Mangel an Fachkräften
herrschen wird. Gut qualifizierte Frauen stehen dem Arbeitsmarkt
aber nur dann zur Verfügung, wenn die Kinderbetreuung
gesichert ist. Nach dem Spitzengespräch der
Wirtschaftsverbände und des DGB mit Bundeskanzlerin Angela
Merkel zum Thema "Familie und Wirtschaft" verkündete
DIHK-Präsident Braun zudem im Oktober 2006, alle seien sich
einig gewesen, dass "die Einbindung beider Ehepartner in das
Berufsleben teilweise eine absolute Notwendigkeit ist, um die
eigenen Lebenserwartungen erfüllen zu können".
BDI-Präsident Jürgen Thumann
fordert seit Jahren: "Es muss möglich sein, Kinder zu erziehen
und im Berufsleben zu stehen." Und Inge Sandstedt, Präsidentin
des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, ergänzt: "Wir haben
die am besten ausgebildete Frauengeneration aller Zeiten. Diese
will mehr als Hausfrau und Mutter sein." Unisono
begrüßten die Verbände daher vor zwei Jahren den
Plan der rot-grünen Bundesregierung, die Länder und
Kommunen beim Ausbau von Krippen- und Tagesbetreuungsplätzen
zu unterstützen. Das damals beschlossene Gesetz sieht vor,
dass es bis zum Jahr 2010 ausreichend Plätze geben soll. In
einer gemeinsamen Presseerklärung kritisierten BDA, BDI, DIHK
und ZDH aber auch: "Der dringend notwendige Ausbau der
Kinderbetreuung ist finanziell nicht solide abgesichert."
Einhellig lobten die Wirtschaftsverbände
jedoch das am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Gesetz zum
Elterngeld. Jürgen Thumann bezeichnete das Elterngeld als "ein
positives Beispiel, Erziehungsleistung zu honorieren". Etwas
kritischer reagierten die Arbeitgeberverbände: "Die
Ausgestaltung ist verbesserungsbedürftig. Besser wäre
gewesen, das Elterngeld auf ein Jahr zu begrenzen." Einig sind sich
die Unternehmervertreter, dass Mütter und Väter nicht zu
lange Elternzeit nehmen sollten, um ihre Qualifikation nicht zu
verlieren.
Die im Gesetz verankerten zwei Partnermonate
beurteilen sie unterschiedlich. DIHT-Präsident Braun
befürwortet die Regelung: "Der Blick nach Schweden zeigt, dass
dort im betrieblichen Alltag die Partnermonate in der Regel
problemlos verlaufen." Der ZDH ist skeptischer: "Es wird
insbesondere für Kleinbetriebe schwierig sein, Ersatzpersonal
zu finden." Außerdem kritisiert der Handwerksverband, dass
das Elterngeld zusätzlich zum Arbeitslosengeld II ausgezahlt
wird. Damit würden "Arbeitsanreize reduziert".
Bündelung der Leistungen
Einig sind sich die Wirtschaftsvertreter,
dass die familienpolitischen Leistungen in Zukunft gebündelt
werden sollten. So etwa Otto Kentzler vom ZDH: "Eine künftige
Steuerfinanzierung aller familienpolitischen Leistungen aus einer
'Familienkasse' würde die Unternehmen deutlich entlasten." So
solle zum Beispiel auch das Mutterschaftsgeld aus Steuermitteln
finanziert werden. BDA-Präsident Dieter Hundt geht noch
weiter: Er fordert nicht nur zu bündeln, sondern auch
umzuschichten: "Deutschland braucht eine Neujustierung, die sich
nicht nur auf kinderabhängige Finanztransfers
beschränkt." Ziel des Umsteuerns solle der Ausbau der
Kinderbetreuung sein. In ihrem Forderungskatalog "Familie schafft
Zukunft" verlangt die BDA, dass die steuerliche
Familienförderung so umgestaltet werden soll, dass nicht die
Hausfrauenehe gefördert, sondern beiden Eltern die
Erwerbstätigkeit erleichtert wird. Die Abzugsfähigkeit
der Kinderbetreuungskosten solle auf berufstätige Elternpaare
und berufstätige Alleinerziehende beschränkt
werden.
Das Gleichbehandlungsgesetz
Die Bundesregierung hat einen Teil dieser
Anregungen inzwischen aufgenommen: Im Dezember stellte
Familienministerin von der Leyen ein Beratungsteam vor. Dem Gremium
gehören der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der
deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, und der
Forschungsdirektor des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung, Gert Wagner, an. Innerhalb eines Jahres
sollen die Experten Vorschläge machen, wie die 145
familienpolitischen Leistungen in Höhe von insgesamt 184
Milliarden Euro im Jahr umgebaut und gebündelt werden
können.
Doch so einig sich die
Wirtschaftsverbände in ihren familienpolitischen Forderungen
sind, so einhellig lehnen sie das im Sommer 2006 in Kraft getretene
"Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" ab. Vehement hatten die
Wirtschaftsverbände verlangt, dass sich die zivilrechtlichen
Vorschriften auf Diskriminierung aufgrund der Ethnie und des
Geschlechts beschränken sollten. Außerdem sollten nur
die Betroffenen, aber keine Verbände ein Klagerecht haben.
Doch Kanzlerin Merkel einigte sich mit der SPD auf die umfassendere
Version des Gesetzes. Dafür wurde sie auch von vielen
Parteifreunden gescholten. Der CDU-Wirtschaftsrat empörte sich
über "die Übererfüllung der europäischen
Vorgaben". Auch der Verband deutscher Unternehmerinnen ätzte:
"Das Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes in seiner jetzigen
Form ist ein Schlag in die Magengrube aller."
Die Gewerkschaften freuten sich indes
über das Gesetz, für das sie lange gekämpft hatten.
Vor allem das Verbandsklagerecht halten sie für wichtig. Sie
sagen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern drohten Nachteile, wenn
sie alleine gegen Diskriminierung vorgehen müssten.
Zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung
waren die Gewerkschaften weniger erfolgreich. Damals konnten sich
die Wirtschaftsverbände mit ihrem Protest gegen ein
Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft durchsetzen.
Renate Schmidts Vorgängerin Christine Bergmann hatte dazu im
Jahr 2000 Eckpunkte vorgelegt.
Das Gesetz sollte dazu führen, dass sich
der Frauenanteil an den Führungspositionen erhöht und die
Unternehmen Männern und Frauen gleichen Lohn für gleiche
Arbeit bezahlen. Aber das ging den Verbänden dann doch zu
weit: Die Präsidenten der BDA und des BDI, Dieter Hundt und
Michael Rogowski, trafen sich mit dem damaligen Bundeskanzler
Gerhard Schröder.
Am Ende wurde eine Vereinbarung getroffen: Es
solle weder das Gleichstellungsgesetz noch eine Selbstverpflichtung
der Wirtschaft geben. Stattdessen versprachen die
Wirtschaftsvertreter freiwillige Schritte zur Förderung von
Frauen. Seither legt eine Kommission alle zwei Jahre einen "Bericht
zur Chancengleichheit von Frauen und Männern in der
Privatwirtschaft" vor.
Der DGB hat inzwischen ein neues
familienpolitisches Thema entdeckt: die Vereinbarkeit von
Erwerbsarbeit und Pflege. Auch hier sind Konflikte mit der
Bundesregierung und den Wirtschaftsverbänden programmiert. Der
DGB fordert einen Rechtsanspruch auf kurzfristig zu beantragende
Arbeitszeitreduzierung für pflegende Angehörige. Zwar
haben auch die Wirtschaftsverbände das Thema erkannt.
Schließlich werden heute 1,4 Millionen alte und kranke
Menschen in Privathaushalten gepflegt - zumeist von den Frauen.
Aber Gesetzesänderungen, wie der DGB sie vorschlägt,
lehnen die Wirtschaftvertreter nach wie vor ab.
Die Autorin ist freie Journalistin in Hamburg.
STICHWORT
Arbeiten mit Kindern: ein Balanceakt
- Alter Rund sechs von zehn Müttern gehen
arbeiten. 33 Prozent der Mütter mit Kindern unter drei Jahren
und 56 Prozent mit drei- bis fünfjährigen Kindern sind
erwerbstätig.
- Teilzeit Rund 24 Prozent der arbeitenden
Mütter in den alten Bundesländern haben Vollzeit-Stellen,
in Ostdeutschland sind es knapp 57 Prozent. In Teilzeit-Jobs
arbeiten im Westen knapp 76, im Osten ungefähr 43
Prozent.
- Gründe, warum Eltern ihre Arbeitszeit reduzieren: zu
schlechte oder zu teure Kinderbetreuung (45 Prozent); keine
Betreuung möglich (36 Prozent); die Kita macht zu früh zu
(19 Prozent). (Quelle: Statistisches Bundesamt 2006)