Was ist für einen Aserbaidschaner typisch deutsch? Habib Mammadli überlegt kurz: "Das Pfandflaschensystem", sagt der 25-Jährige dann. Es sei doch ein genialer Einfall, die Leute zum Sammeln des Leerguts zu bewegen und so dadurch gleichzeitig die Straßen sauber zu halten. Dass die Deutschen sich an Gesetze halten, findet er ebenfalls bemerkenswert. In seiner Heimat sei das durchaus nicht so selbstverständlich, sagt der junge Mann und lächelt. "Wir sind da etwas lockerer."
Seit vier Monaten ist Mammadli im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) in Berlin, für sein Foto (siehe großes Bild) wurde er - zusammen mit drei anderen Teilnehmern - zum Sieger des IPS-Fotowettbewerbs gekürt. Doch Deutschland kennt er bereits länger. Seit über drei Jahren studiert er in Hamburg Jura, mit dem Schwerpunkt "Öffentliches Recht". Als er nach Deutschland kam, hatte er bereits einen Abschluss in Rechtswissenschaften der staatlichen Universität von Baku, Aserbaidschans Hauptstadt, in der Tasche. "Ich bin damals nach Hamburg gekommen, weil ich das deutsche Rechtssystem kennen lernen wollte", erzählt er. Durch Zufall erfuhr er von einem Freund von dem IPS-Programm.
Nun lernt der ehrgeizige Student im Büro der SPD-Abgeordneten Ulla Burchardt die parlamentarischen Abläufe in der Bundeshauptstadt aus der Innenperspektive kennen. Er erlebt mit, wie das Büro eines Abgeordneten arbeitet und begleitet seine Gastgeberin auf ihre Termine. Dass Ulla Burchardt auch Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ist, eröffnet Habib Mammadli zudem die Möglichkeit, die Ausschussarbeit aus nächster Nähe mit zu erleben. "Ich bereite zum Beispiel Sitzungen mit vor und nehme an ihnen teil", erzählt er. Umgekehrt ist durchaus auch seine Meinung gefragt, wenn beispielsweise Mitglieder der Parlamentariergruppe eine realistische Einschätzung der Verhältnisse in Aserbaidschan hören möchten. "Ich kann ihnen Dinge sagen, die sie von offiziellen Vertretern des Landes nicht hören würden." Daneben reisen die Stipendiaten durch Deutschland, besuchen Veranstaltungen, politische Stiftungen und historische Orte wie das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. "Einzigartig" findet Habib Mammadli das Programm, durch das er Deutschland von ganz anderen Seiten als in seinem Studium erfahre. "Wir bekommen hier nicht nur die Politik, sondern das gesamt deutsche Leben gezeigt". Zugleich genießt der junge Mann die Begegnung mit politisch interessierten Gleichaltrigen aus 27 Ländern, unter ihnen viele aus anderen osteuropäischen Staaten. "Das bringt so viel an Erfahrungen mit sich", schwärmt er von den neuen Freundschaften. Die derzeit geknüpften Kontakte, da ist er sich sicher, werden ihn in Zukunft begleiten, wenn seine Mitstipendiaten in ihren Ländern ihren jeweils eigenen Weg gehen. Vier weitere Stipendiaten stammen wie er aus Aserbaidschan, mit ihnen verbringt er viel Zeit. Für Habib Mammadli ist dies ein Stück Heimat fernab dieser. Mehr als einmal im Jahr sieht er derzeit seine Familie nicht.
Für den Studenten ist klar, dass er nach seinem Abschluss in Hamburg in seine Heimat zurückkehren möchte. Das kleine Aserbaidschan, das unter anderem an den Iran und an Russland grenzt, profitiert wirtschaftlich enorm von seinen Ölschätzen. "Aber von dem Reichtum kommt wenig beim Volk an", sagt Mammadli. Er will sich in Zukunft in seiner Heimat im parlamentarischen System engagieren -und wird dafür einige Anregungen aus Berlin mitnehmen. "Wenn wir eine Demokratie wie in Deutschland wären, könnten wir noch mehr schaffen."