SCHLESWIG-HOLSTEIN
Für CDU und FDP reicht es knapp
Die großen Sieger der Landtagswahl in Schleswig-Holstein tauchten erst einmal ab. Auf Sylt rief FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki die Abgeordneten seiner Fraktion zur Klausur zusammen. Solche Nach-Wahl-Treffen haben zwar Tradition bei den Nord-Liberalen. Doch diesmal ging es um mehr als um die Vorbereitung einer ganz "normalen" Legislaturperiode. Der Normalfall, das war für die Waterkant-FDP in den vergangenen fast 40 Jahren - zum Teil auch außerparlamentarische - Opposition. Jetzt sind Kubicki und Co. am Ziel. 15 Prozent hatte die FDP geholt - besser stand sie nie da in ihrer Geschichte zwischen Nord- und Ostsee. In dieser Woche starten in Kiel die Verhandlungen über eine Regierungskoalition mit der CDU.
Erst weit nach Mitternacht stand offiziell fest, dass CDU und FDP mit drei statt lediglich einer Stimme Vorsprung vor der versammelten Opposition werden regieren können. Dort sitzen in einem von 69 auf 95 Abgeordnete angewachsenen Landtag neben der SPD und den erstarkten Grünen sowie dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) auch die Linke, die erstmals den Sprung ins Parlament an der Förde schaffte.
Unklar ist allerdings, ob der Mandatsvorsprung für Schwarz-Gelb von Dauer sein wird. Drei der von der Union erzielten elf Überhangmandate sind nämlich nicht über Ausgleichsmandate gedeckt worden. Strittig ist vor allem, ob solche Mandate wegfallen, wenn Unionsabgeordnete aus dem Landtag ausscheiden. Nach Auffassung des Landeswahlleiters können auch solche Sitze nachbesetzt werden.
Parlamentsjuristen dagegen schließen dies aus. Setzt sich diese Rechtsmeinung durch, könnte die Mehrheit (49 zu 46 Sitze) der künftigen Koalition schrumpfen, zumal einige Abgeordnete aus den Reihen der Union auf Posten als Staatssekretäre in der neuen Regierung hoffen. Auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat wäre dann perdu. In Unionskreisen gibt es deshalb schon jetzt Stimmen, die einstweilen hinter vorgehaltener Hand darauf drängen vorsorglich die Grünen oder den SSW mit ins Boot zu nehmen.
Sicher ist schon jetzt, dass der alte und voraussichtlich neue Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und Kubicki dicke Bretter bohren müssen. Vor allem in der Finanzpolitik steht das Duo vor Riesen-Problemen. Schleswig-Holstein sitzt auf einem Schuldenberg von über 23 Milliarden Euro. Im Hintergrund hängt wie ein Damoklesschwert die schwer angeschlagene HSH-Nordbank. Mit Milliardenhilfen hatten Hamburg und Schleswig-Holstein ihre gemeinsame Landesbank vor dem Untergang retten müssen. Ob das reicht, ist aus Kubickis Sicht höchst fraglich. Denn über den Berg ist das Kreditinstitut noch längst nicht.
Konflikte im neuen Bündnis drohen auch über den künftigen Sparkurs. Noch in ihrer großen Koalition hatten CDU und SPD beschlossen, bis 2020 rund 4.800 Stellen im Landesdienst abzubauen. Dies vor allem, um das vom selben Jahr an geltende Neuverschuldungsverbot für die Länder erreichen zu können. "Geht nicht", ist die FDP überzeugt, die auf Einsparpotenziale von höchstens 800 Stellen kommt. Und klar ist für den neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden, Christian von Boetticher, auch, das Union und Liberale "keine Koalition der kalten Schulter werden darf, die sich nur für die wirtschaftlich Starken einsetzt". Soll wohl heißen: Neoliberale Grausamkeiten will die Union nicht mitmachen.