KUNDUS-AFFÄRE
Untersuchungsausschuss des Bundestages nimmt seine Arbeit auf
Der gemeinsame Untersuchungsauftrag, den Koalitions- und Oppositionsfraktionen am 15. Dezember nach intensiven Verhandlungen beschlossen haben, lässt kaum Fragen offen: Nicht nur die Umstände des Nato-Luftangriffs am 4. September 2009 auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastwagen nahe Kundus in Nordafghanistan wollen die Abgeordneten in den kommenden Monaten aufklären. Im Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses, zu dem sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages am 16. Dezember konstituiert hat, steht auch die umstrittene Informations- und Kommunikationspraxis der Bundesregierung. So formuliert der von den Fraktionen verabschiedete Antrag an vorderster Stelle die Frage: "Wer im Verantwortungsbereich der Bundeswehr und der Bundesregierung, insbesondere im Bundesministerium für Verteidigung, im Auswärtigen Amt sowie im Bundeskanzleramt, hatte zu welchem Zeitpunkt von wem welche Kenntnisse über die Aufklärung, Beweggründe und Durchführung sowie über die Folgen des Luftangriffs?" Außerdem wollen die Abgeordneten wissen, welche Berichte und Informationen "zu welchem Zeitpunkt Grundlage für die tatsächliche, rechtliche und politische Bewertung dieses Luftangriffs durch Mitglieder der damaligen sowie der heutigen Bundesregierung" waren. Antworten erhofft sich der Ausschuss unter anderem von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), seinem Amtsvorgänger Franz Josef Jung (CDU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Aber auch Frank-Walter Steinmeier (SPD) wird vor dem Untersuchungsausschuss aussagen müssen. Er war zum Zeitpunkt des Luftangriffs Außenminister und Vizekanzler der Großen Koalition. Ein für den Bundestag besonders wichtiger Punkt interessiert die Fraktionen ebenfalls: Sie möchten erfahren, ob der Einsatz in Übereinstimmung mit dem Bundestagsmandat, der operativen Planung sowie den Befehlen und Einsatzrichtlinien der Interationalen Schutzruppe (Isaf) und der Bundeswehr durchgeführt wurde. Daran knüpft sich für die Abgeordneten auch die Frage, "welche Nachsteuerungen" gegebenenfalls in nationaler Verantwortung vorgenommen werden müssen.
Der Untersuchungsausschuss wird sich am 21. Januar erneut treffen, wenige Tage vor Beginn der Afghanistan-Konferenz in London. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, einige Zeugenbefragungen öffentlich durch- zuführen. Dem 34-köpfigen Gremium unter Vorsitz der SPD-Abgeordneten Susanne Kastner gehören insgesamt 13 Parlamentarier der CDU/CSU-Fraktion, acht der SPD-Fraktion, fünf der FDP-Fraktion, und jeweils vier Abgeordnete der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen an. Der Verteidigungsausschuss ist der einzige Ausschuss des Bundestages, der sich gemäß Artikel 45a, Absatz 2 des Grundgesetzes selbst als Untersuchungsausschuss einsetzen darf, wenn dies mindestens ein Viertel seiner Mitglieder verlangt.