MENSCHENRECHTE
Opposition bemängelt Abschiebepraxis in Deutschland. Koalition verteidigt Rückübernahmeabkommen
Es ist schon Tradition: Jedes Jahr kurz vor Weihnachten debattieren die Abgeordneten des Bundestages über die Menschenrechte. Sie diskutieren über Erreichtes, Versäumtes und weitere Ziele und nehmen die Regierung in die Pflicht. Der Termin in zeitlicher Nähe zum Tag der Menschenrechte kommt nicht von ungefähr, schließlich haben die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterschrieben - ein wichtiges Dokument, das bis heute national und international verbindliche Ziele zum Schutz der Menschenrechte festlegt.
61 Jahre später sind sich die Fraktionen jedoch einig: Menschenrechtsschutz ist bis heute keinesfalls in jedem Land selbstverständlich, noch immer gibt es viel zu tun. Über das Wie und Was jedoch gingen die Meinungen in der Debatte am 16. Dezember auseinander.
Die Koalitionsfraktionen haben einige ihrer Ziele in einem Antrag ( 17/257) formuliert. Darin fordern sie unter anderem internationale und regionale Strafgerichtshöfe stärker zu unterstützen, die Todesstrafe abzuschaffen und gute Regierungsführung in den Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. "Die Einhaltung der Menschenrechte ist das Fundament unserer Politik", erklärte Marina Schuster (FDP) dazu im Plenum. Doch das sah die Opposition anders. Als "Enttäuschung" bezeichnete etwa Christoph Strässer (SPD) sowohl den Antrag als auch den Koalitionsvertrag in Sachen Menschenrechtspolitik. Er warf der Regierung vor, wichtige Aspekte, etwa die Innenpolitik, "komplett" auszublenden. Er verwies darauf, dass Nordrhein-Westfalen derzeit Roma-Familien in das Kosovo abschiebe, von denen "mehr als die Hälfte dieses Land noch nie gesehen" hätten. "Es sollte klargestellt werden, dass der Bundestag eine Abschiebung dieser Menschen in das Kosovo nicht mitträgt", forderte Strässer.
Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke schlugen in eine ähnliche Kerbe. Beide haben Anträge in den Bundestag eingebracht ( 17/68, 17/237), in denen sie fordern, das Deutsch-Syrische Rückübernahmeabkommen aufzukündigen und Abschiebungen nach Syrien zu stoppen. Ulla Jelpke von der Linksfraktion erklärte, das Rückübernahmeabkommen mit Syrien sei geschlossen worden, obwohl die Bundesregierung ganz genau wisse, dass dort "massive Menschenrechtsverletzungen" stattfinden. Es sei zudem ein "Novum", dass man 3.000 staatenlose Menschen in ein Land zurückschicke, obwohl sie dort "absolut rechtlos" seien. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, ergänzte, die Regierung mache sich "zum Helfershelfer der Schergen in den syrischen Gefängnissen", in denen gefoltert werde. Konkrete Menschenrechtspolitik messe sich daran, "dass sie dort, wo sie Einfluss auf Beziehungen hat, konstistent handelt und nicht wie in einem Wolkenkuckucksheim über das Schlechte in der Welt geredet" werde. Ähnlich argumentierte die SPD, die beide Anträge unterstützte.
Serkan Tören (FDP) erwiderte, die Unterzeichnung eines Rückführungsabkommens bedeutete "keinen Freiflugschein für alle Flüchtlinge in ihre Heimatländer, unterschrieben ohne Rücksicht darauf, in welche Umstände die jeweilige Person zurückgeschickt werde". Asylrechtliche Vorschriften würden hierdurch nicht berührt. Die menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion Erika Steinbach wies die Opposition darauf hin, dass die Abschiebung von Menschen in Deutschland "nicht in rechtsfreiem Raum" stattfinde. Hierfür gebe es Rechtsgrundlagen, die auch vom Parlament beschlossen worden seien. "Wir leben in einem Rechtsstaat, nicht in einem Unrechtsstaat", betonte Steinbach, die zugleich die Forderung im Koalitionsantrag unterstrich, den weltweiten Einsatz für Religionsfreiheit fortzusetzen. Besonderes Augenmerk sollte die Bundesregierung auf die Lage der christlichen Minderheiten legen.
Die Fraktionen von SPD und Grünen scheiterten in der anschließenden Abstimmung mit weiteren Anträgen ( 17/107, 17/124). Den Koalitionsantrag sowie die Anträge von Linksfraktion ( 17/236, 17/237) und Grünen ( 17/68, 17/157) überwies das Parlament an die zuständigen Bundestagsausschüsse.