ISRAEL
Die Europäische Union fordert Verhandlungen über den Status von Jerusalem als Hauptstadt zweier Staaten. Den EU-Abgeordneten reichen Worte allein nicht - sie wollen Taten sehen
Weihnachtsstimmung wollte nicht aufkommen, als sich das EU-Parlament am 15. Dezember in Straßburg mit der Situation im Heiligen Land befasste. "In der Welt soll nun langsam Weihnachtsfrieden einziehen. Doch im Nahen Osten wird er nicht so einziehen, wie wir uns das wünschen", musste Cecilia Malmström, schwedische Europaministerin und künftige EU-Kommissarin für Innenpolitik, eingestehen.
Schweden hatte sich in seiner nun endenden halbjährigen EU-Präsidentschaft für einen veränderten Kurs gegenüber Israel eingesetzt. Die Regierung hatte den europäischen Außenministern Anfang Dezember einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der einen "lebensfähigen Palästinenserstaat, der das Westjordanland und den Gazastreifen umfasst, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt" forderte.
Nach scharfen israelischen Protesten und Vorbehalten mehrerer Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschlands, war die Formulierung geändert worden. Israel hatte der EU vorgeworfen, mit der ursprünglichen Formulierung auf eine Teilung Jerusalems abzuzielen.
Die nun von den Außenministern und vom Dezembergipfel abgesegnete Erklärung bekräftigt das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat in den Grenzen vor 1967, begrüßt den israelischen Siedlungsstopp, kritisiert aber scharf die Situation in Ost-Jerusalem. "Der Rat erinnert daran, dass er die Annektierung von Ost-Jerusalem nie anerkannt hat. Wenn es echten Frieden geben soll, muss durch Verhandlungen ein Weg gefunden werden, den Status Jerusalems als Hauptstadt zweier Staaten sicherzustellen." Palästinensische Einrichtungen in Jerusalem müssten wieder geöffnet werden.
In der Debatte im Europäischen Parlament äußerten sich viele Abgeordnete skeptisch, dass sich die israelische Regierung von Worten beeindrucken lassen wird. Die grüne EU-Abgeordnete Caroline Lukas sagte: "Echte Bewegung wird es nur geben, wenn wir Taten folgen lassen, zum Beispiel das Assoziationsabkommen mit Israel aussetzen." Lobend erwähnte Lukas einen internen Bericht des EU-Delegationsbüros für Gaza und Westbank von Ende November. Darin wird die Enteignungs- und Siedlungspolitik unter israelischer Besatzung seit 1967 in Zahlen und Fakten dokumentiert. Demnach wurden 30 Prozent des Territoriums von Ost-Jerusalem enteignet. 37 Prozent der jüdischen Bauprojekte, die zwischen 2001 und 2009 genehmigt wurden, lagen auf diesem Gebiet.
Die Autoren fordern, den Bericht öffentlich zu machen, eine PLO-Vertretung in Ost-Jerusalem einzurichten, dort nationale oder europäische Zeremonien abzuhalten, palästinensische Würdenträger in Ost-Jerusalem feierlich zu empfangen und so das Recht auf palästinensische Präsenz mit diplomatischen Mitteln deutlich zu machen. Von den Behörden schikanierte und unter Druck gesetzte Bewohner sollten Rechtshilfe erhalten. Tourismusunternehmen sollen darüber informiert werden, wie sie es vermeiden können, unwissentlich israelische Siedlungstätigkeit in Ost-Jerusalem zu unterstützen. In den Siedlungen erzeugte Waren sollen von Handelsvergünstigungen ausgenommen werden. Der konservative maltesische Abgeordnete Simon Busuttil lobte den Rat für seine deutliche Erklärung zur Lage in Jerusalem. Auch er forderte aber, dass aus dem Bericht der EU-Diplomaten Konsequenzen gezogen werden müssten. "Jetzt müssen wir handeln, denn die Situation in Jerusalem wird von Tag zu Tag schlimmer. Wir können nicht länger stillhalten, sonst vermitteln wir die Botschaft, dass Diplomatie und Grundwerte nichts bedeuten." Der Sozialist Proinsias De Rossa, der die Parlamentarierdelegation leitete, der israelische Behörden vergangene Woche der Zugang nach Gaza verweigerten, sagte: "Ich habe die Apartheidpolitik letzte Woche mit eigenen Augen gesehen. Die Häuser werden zerstört, das Wasser wird abgestellt. Uns nicht nach Gaza zu lassen - das ist nicht freundlich gegenüber einem Land, mit dem man gute Beziehungen pflegt!" Der liberale Abgeordnete Chris Davies forderte, man solle "damit drohen, das Assoziationsabkommen auszusetzen. Die Israelis werden sich nicht bewegen, wenn wir ihnen nicht einen kleinen Schubs geben."
Der österreichische Sozialist Hannes Swoboda appellierte an die neue außenpolitische Vertreterin der EU: "Bitte, Lady Ashton, nehmen Sie sich zu Herzen, was Sie hier hören. Erst kündigt Israel einen Siedlungsstopp an, dann wieder wird die sogenannte natürliche Entwicklung gefördert, also Straßenbau, der den Palästinensern tagtäglich Land wegnimmt. Die EU-Abgeordneten haben das Recht nach Gaza zu fahren." Catherine Ashton kündigte im Europaparlament eine Reise in den Nahen Osten an. Sie werde sich bald in die Krisenregion begeben und dort mit den wichtigsten Akteuren zusammentreffen, sagte sie. Auf die in der Debatte gemachten Forderungen ging sie konkret nicht ein. Sie erklärte, sie werde die Vorschläge aus dem Bericht sorgfältig prüfen. Die Union müsse ihre wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten verbinden, um den Friedensprozess zu befördern. Durch verbesserte Infrastruktur, Krankenversorgung und Bildungseinrichtungen in Ost-Jerusalem könne die EU die Lebensbedingungen für die dort lebenden Palästinensern praktisch verbessern und gleichzeitig ihren politischen Einfluss auf Israel geltend machen.