UN-KLIMAKONFERENZ
Vereinbarungen von Kopenhagen bleiben hinter den Erwartungen zurück
Der Delegierte aus Tuvalu brachte es so auf den Punkt: "Ich habe die Befürchtung, dass wir an Bord der Titanic sind und schnell sinken, aber wir können nicht in die Rettungsboote, weil der Präsident (der Konferenz) sagt, wir brauchen keine Rettungsboote." Er machte damit seinem Unmut über den schleppenden Verhandlungsverlauf der Weltklimakonferenz Luft, die am vergangenen Wochenende nach zähem Ringen zu Ende gehen sollte.
Der kleine Inselstaat im Südpazifik gehört zu den Ländern, die den Klimawandel bereits jetzt unmittelbar zu spüren bekommen. Doch statt konkreter Zusagen, die sich viele betroffene Staaten von der Konferenz erhofft hatten, blieben auch nach dem zweiwöchigen Treffen viele Fragen offen. Trotz der Präsenz von mehr als 100 Staats- und Regierungschefs war das eigentliche Ziel der Konferenz, in Kopenhagen - ein rechtsverbindlichen Folgeabkommen für das 2012 auslaufende Kioto-Protokoll zu beschließen - (bis Redaktionsschluss) am Freitagabend nicht erreicht worden.
In einem Entwurf eines "Kopenhagen-Abkommens" zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt allerdings ab, dass die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels offenbar gesichert ist. Es sieht vor, dass die Erwärmung der Erde um nicht mehr als zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ansteigen darf. Auch das Ziel, die Treibhausgase bis 2050 weltweit zu halbieren, wurde in den Entwurf aufgenommen.
Konkrete Angaben über Zwischenschritte bis zu diesem Jahr fehlen darin jedoch. Dabei mahnen Wissenschaftler an, dass der Ausstoß von Treibhausgasen verbindlich bereits bis zum Jahr 2025 um 25 Prozent gesenkt werden müsse. Weitgehende Einigkeit herrschte zu diesem Zeitpunkt auch darüber, dass die Entwicklungsländer für den Technologietransfer und als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel finanzielle Unterstützung erhalten müssen. Konkrete Zahlen werden aber nicht genannt, sondern es heißt lediglich, dass die Hilfen "angemessen, vorhersehbar und nachhaltig" sein sollen. Umstritten bliebe damit weiter, wer in welcher Höhe und zu welchen Bedingungen in den Fonds einzahlen wird. Die Entwicklungs-und Schwellenländer sollen sich dem Papier zufolge verstärkt um den Waldschutz kümmern.
Auch der von vielen Hoffnungen begleite Auftritt von US-Präsident Barack Obama hatte am 18. Dezember noch keinen Durchbruch der Verhandlungen gebracht. "Die Zeit des Redens ist vorbei. Es ist Zeit zu handeln", sagte Obama vor den Delegierten. Doch auch die USA pokerten weiter bis zum Schluss. Im Hintergrund spielte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine wichtige Rolle auf der Suche nach einem Kompromiss. Kurz vor ihrer Abreise nach Kopenhagen hatte Merkel am 17. Dezember in einer Regierungserklärung vor einem Scheitern der Konferenz gewarnt. Wenn jetzt nicht notwendige Weichenstellungen erfolgen würden, riskiere man dramatische Schäden: "Es wird immer wieder so getan, als koste der Klimaschutz viel Geld", sagte sie, "aber selten darüber gesprochen, was Nichthandeln kostet". Als Indikator für den Erfolg der Konferenz wiederholte sie ihre Forderung zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels. Bis 2050 müsste der Ausstoß von CO2 im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent gesenkt werden. Die Industrieländer müssten dafür 80 Prozent ihrer Treibhausgase vermindern. "Das ist eine gewaltige Herausforderung", sagte sie. Indirekt kritisierte Merkel die USA, deren Klimaziele sie als "nicht ambitioniert genug" bezeichnete. Hinter der Diskussion um Reduktionsziele verbirgt sich aber vor allem auch die Frage, wer den Klimaschutz bezahlen soll. Über diese Finanzierung wurde daher nicht nur in Kopenhagen, sondern auch im Bundestag gestritten. Erneut ging es um die Ankündigung von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP), die Leistungen für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel für Entwicklungsländer mit Hilfszusagen für diese Staaten zu verrechnen - für SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber (SPD) "ein Affront" und der Grund dafür, warum die Kanzlerin erstmals ohne einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen nach Kopenhagen reisen müsse. "Diese Niebel-Kerzen sind für Deutschland und Kopenhagen eine Belastung", sagte er und forderte die Kanzlerin auf, zusätzliche Mittel bereit zu stellen.
Linksfraktionschef Gregor Gysi, kritisierte die von der EU am 11. Dezember zugesagte Soforthilfe für den Klimaschutz von 7,2 Milliarden Euro. "Das ist lächerlich", sagte Gysi. Und auch die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast warf der Regierung vor, zwar 8, 5 Milliarden, "als Steuergeschenke für Hotels und Erben" bereitzustellen, "aber nur 2,4 Milliarden wollen sie geben, um den Ärmsten der Armen, die existentiell unter dem Klimawandel leiden, zu helfen".
FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger verwahrte sich gegen Kritik an Niebel. Die Gelder für den Klimaschutz würden nicht mit den Entwicklungshilfemitteln verrechnet. "Mit den Zusagen, die Deutschland im Europäischen Rat gemacht hat, stehen zusätzliche finanzielle Mittel für den Klimaschutz zur Verfügung", betonte Homburger.
Nach dem Ende der Verhandlungsrunde in Kopenhagen beginnt jetzt der eigentliche Streit, wie die Gipfelvereinbarungen konkret in die Praxis umgesetzt werden können: Bei den Vereinten Nationen, auf der Ebene der Europäische Union - und auch im Bundestag. Bis zur nächsten UN-Klimakonferenz Ende 2010 in Mexiko gibt es für alle noch viel zu tun.