Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union, kurz EU-Ausschuss, ist einer der vier Ausschüsse, die
im Grundgesetz ausdrücklich genannt sind (Art. 45 GG ) und in jeder
Legislaturperiode eingerichtet werden müssen. Obwohl die in
Art. 23 GG vorgesehene
Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen
Union Sache des ganzen Parlamentes ist, trägt der Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union eine
besondere Verantwortung für die Europapolitik der
Bundesrepublik Deutschland. Das bestimmt die Schwerpunkte seiner
Tätigkeit, zeigt sich aber auch in seinen Sonderbefugnissen
und seiner Zusammensetzung.
Im Deutschen Bundestag sind grundsätzlich alle Ausschüsse im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit für die Beratung europäischer Angelegenheiten zuständig. Der EU-Ausschuss ist als Integrations- und Querschnittsausschuss jedoch der zentrale Ort des europapolitischen Entscheidungsprozesses.
In seiner Funktion als Integrationsausschuss ist er zuständig für Grundsatzfragen der europäischen Integration, wie die institutionelle Reform der Europäischen Union, die Erweiterung der Europäischen Union, die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten der anderen Mitgliedstaaten.
Als Querschnittsausschuss befasst sich der EU-Ausschuss insbesondere mit europäischen Vorhaben, die mehrere unterschiedliche Politikfelder vereinen, ohne dass ein sachlicher Schwerpunkt der Vorlage identifiziert werden könnte. Ein Beispiel ist die sog. Finanzielle Vorausschau, mit der die Europäische Union die Höhe und Verwendung ihrer Einnahmen und Ausgaben für jeweils mehrere Jahre festlegt.
Die regelmäßige Tätigkeit des Ausschusses wird von der Kontrolle der Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union bestimmt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Deutschen Bundestag umfassend und zum frühestmöglichen Termin über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten, die für die Bundesrepublik Deutschland von Interesse sein könnten. In der Praxis erfolgt dies durch schriftliche und mündliche Berichte über die Tagungen des Europäischen Rates und des Rates der Europäischen Union in seinen verschiedenen Formationen. Diese Berichte sind regelmäßiger Bestandteil der Tagesordnung der Ausschusssitzungen.
Außerdem lädt der Ausschuss Entscheidungsträger der europäischen Institutionen (Mitglieder der Europäischen Kommission, Direktoren europäischer Agenturen und anderer Einrichtungen wie Europol und Eurojust etc.) zu seinen Sitzungen nach Berlin ein, um sich über aktuelle Entwicklungen unterrichten zu lassen. Intensive Kontakte zu Parlamentariern aus anderen Mitgliedstaaten und Beitrittsländern und Anhörungen mit Sachverständigen im Bereich der europäischen Integration runden die politische Meinungsbildung des Ausschusses ab. Häufige öffentliche Sitzungen und Anhörungen tragen außerdem zur Information der Öffentlichkeit über wichtige europapolitische Themen bei.
Der EU-Ausschuss befasst sich nicht mit der Umsetzung von im
Ministerrat und Europäischen Parlament bereits verabschiedeten
Richtlinien. Diese Aufgabe, bei der es sich aus Sicht der
Europapolitik nicht so sehr um Mitgestaltung als vielmehr um
Vollziehung europäischer Vorgaben handelt, ist anderen
Fachausschüssen des Bundestages vorbehalten.
Wie alle Bundestagsausschüsse spiegelt auch der
EU-Ausschuss die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag
wider: Er besteht aus 33 Mitgliedern, davon jeweils 12 Mitglieder
der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der SPD, sowie jeweils
drei Mitglieder der Fraktion der FDP, der Fraktion DIE LINKE. und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Vorsitzender des Ausschusses ist der Abgeordnete Gunther Krichbaum von der der Fraktion der
CDU/CSU. Stellvertretender Vorsitzender ist der Abgeordnete
Kurt Bodewig von der Fraktion der SPD.
Dem EU-Ausschuss gehören neben Parlamentariern aus dem
Deutschen Bundestag auch deutsche Mitglieder des Europäischen
Parlaments als sogenannte mitwirkungsberechtigte Mitglieder an. Sie
sind nicht stimmberechtigt, beteiligen sich aber an den Beratungen
des Ausschusses und gewährleisten so eine enge Zusammenarbeit
zwischen den parlamentarischen Gremien der nationalen und der
europäischen Ebene. Den Mehrheitsverhältnissen im
Europäischen Parlament entsprechend werden dem Ausschuss in
der 16. Wahlperiode bis zur nächsten Wahl zum
Europäischen Parlament acht Mitglieder der CDU/CSU, vier
Mitglieder der SPD, 2 Mitglieder von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, ein Mitglied der FDP und ein Mitglied der Fraktion DIE
LINKE. angehören.
Der EU-Ausschuss ist wie die anderen Ausschüsse des Deutschen Bundestages ein vorbereitendes Beschlussorgan für das Plenum. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Ausschuss aber die Rechte des Bundestages wahrnehmen und gegenüber der Bundesregierung Stellungnahmen im Sinne des Art. 23 Abs. 3 GG abgeben (sog. plenarersetzende Beschlüsse). Damit kann der Ausschuss die Haltung des deutschen Parlaments gegenüber Rechtsetzungsvorhaben der Europäischen Union deutlich machen und stellvertretend für den Bundestag zu deren parlamentarischer Legitimation beitragen.
Im Unterschied zu anderen Ausschüssen kann der EU-Ausschuss
außerdem Änderungsanträge zu Beschlussempfehlungen der
federführenden Fachausschüsse in das Plenum des
Bundestages einbringen.
Der EU-Ausschuss pflegt enge Kontakte zu den mit Europafragen
befassten Ausschüssen anderer nationaler Parlamente der
Mitgliedstaaten, der Beitrittsländer und -kandidaten sowie mit
dem Europäischen Parlament.
Eine gewisse Institutionalisierung findet diese Kooperation in den
halbjährlich im Land der jeweiligen Ratspräsidentschaft
stattfindenden Treffen der sog. COSAC, bei denen
Vertreter der Ausschüsse für Europa- und
Gemeinschaftsangelegenheiten der nationalen Parlamente und
Mitglieder des Europäischen Parlaments zusammenkommen. Die
COSAC bietet seit ihrer Gründung im November 1989 ein
wertvolles Forum für informellen Informations- und
Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern der
Europaausschüsse der Parlamente. Die Stellungnahmen der COSAC
haben, da sie kein repräsentativ zusammengesetztes Gremium
ist, informellen Charakter und binden die einzelnen Parlamente
nicht. Gemeinsam mit dem Ausschuss für Fragen der
Europäischen Union des Bundesrates war der EU-Ausschuss im
ersten Halbjahr 2007, während der deutschen
Ratspräsidentschaft, Gastgeber der XXXVII. COSAC.