HRE-AUSSCHUSS
Koalition und Opposition fordern Debatte über Stärkung der Bankenkontrolle
Zum Finale gehen die Wogen noch einmal richtig hoch, auch wenn die Kontrahenten nicht im direkten Wortgefecht, sondern auf Distanz vor Kameras und Mikrofonen die Klingen kreuzen. Der Untersuchungsausschuss, der das Drama um die mittlerweile mit 90 Milliarden Euro an öffentlichen Garantien gestützte Krisenbank Hypo Real Estate (HRE) durchleuchten sollte, hat jetzt also seine Arbeit beendet. SPD-Obfrau Nina Hauer attackiert FDP, Linkspartei und Grünen, weil sie das Gremium nur als "Wahlkampfgetöse" inszeniert hätten. Doch dieses Unterfangen sei missglückt, die Opposition habe ihre "Verschwörungstheorien" aufgeben müssen. Linken-Obmann Axel Troost wirft der Regierung hingegen vor, bei der HRE-Rettung im Herbst 2008 "Sorgfaltspflichten verletzt" und "Steuerzahler geschädigt" zu haben. Gerhard Schick von den Grünen kritisiert "Geldverschwendung". Nun dürfte Zoff dieser Art bald vergessen sein. Der Ausschuss hinterlässt dem nächsten Bundestag indes ein Vermächtnis: nämlich die Stärkung der Bankaufsicht, was im Detail kompliziert werden dürfte.
Im bei der letzten Sitzung mit Mehrheit verabschiedeten Sachstandsbericht konstatieren Union und SPD, beim Versuch, der Regierung "Verfehlungen anzulasten, ist die Opposition auf ganzer Linie gescheitert". Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erhalten ein dickes Lob, weil sie "verantwortungsvoll und weitsichtig" gehandelt hätten.
Im Sinne der meisten Zeugenaussagen analysiert der Bericht, dass das Debakel der HRE letztlich allein durch die Austrocknung der Finanzmärkte nach der unvorhersehbaren Lehman-Pleite herbeigeführt worden sei: Die irische HRE-Tochter Depfa habe sich plötzlich nicht mehr refinanzieren können.
Nun hatten Zeugen aber auch bestätigt, dass bei der HRE bereits vor September 2008 die Liquiditätslage schwieriger geworden sei. Die Ausschussmehrheit negiert diese Probleme nicht, die Bank sei "kein mustergültiger Finanzkonzern" gewesen. Doch betont der Bericht, dass die HRE bis zum Ausbruch der Krise "alle gesetzlichen Kennziffern des Bankenaufsichtsrechts erfüllt" habe.
Union und SPD ziehen einen bildhaften Vergleich: Vor Herbst 2008 habe die HRE an einer "Bronchitis" gelitten, um die sich die Bankaufsicht gekümmert habe, die Folgen der Lehman-Insolvenz hätten dann aber einen "akuten Herzinfarkt" bewirkt, der "lebenserhaltende Maßnahmen" erfordert habe. Diese Rettung der HRE, die eine "Kernschmelze" des Weltfinanzsystems verhindert habe, sei von der Regierung "professionell und zum Vorteil der Steuerzahler verhandelt" worden.
So etwas darf als Freispruch gelten. SPD-Obfrau Hauer feiert dieses Urteil denn auch als Erfolg. CDU-Obmann Leo Dautzenberg äußert sich etwas differenzierter: Zwar habe es zur "finalen Rettung der HRE keine Alternative gegeben", doch seien kritische Fragen zum Verhalten der Bankaufsicht im Vorfeld der Krise durchaus berechtigt.
Auf diesem Gefechtsfeld verschießt die Opposition, die ein gemeinsames Sondervotum vorgelegt hat, viel Munition. Mangels ausreichender Kompetenzen hätten sowohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als auch die Bundesbank die "Schieflage der HRE nur beobachten und nicht abwenden" können. Trotz der sich zuspitzenden Finanzkrise sei "keinerlei präventives Krisenmanagement" betrieben worden, heißt es in der Analyse. Das Ministerium habe es "bewusst unterlassen, sich auf die potentielle Schieflage großer Banken vorzubereiten", moniert Troost.
Der Ausschuss habe "gravierende Kommunikationslücken zwischen Bankenaufsicht und Finanzministerium aufgedeckt" und "die Defizite in der Finanzaufsicht offengelegt", resümiert FDP-Obmann Wissing. Warnungen von Bafin-Chef Jochen Sanio, wonach die HRE schon im Herbst 2007 mit der Depfa-Übernahme "in der Falle" gesessen habe, seien im Ministerium nicht angekommen. Das "Sondervotum" der Opposition erhebt den Vorwurf, bei der HRE-Rettungsaktion sei dem Steuerzahler ein Schaden von 337 Millionen Euro entstanden. Schick meint, die Regierung habe die Interessen des Finanzsektors bei den Verhandlungen nicht adäquat eingeschätzt, weshalb eine "Notlösung ohne nachhaltige Substanz" herausgekommen sei.
FDP, Linke und Grüne sehen "erheblichen Reformbedarf" bei der Bankaufsicht. Ein fertiges Konzept für die Lehren aus der Finanzkrise hinterlässt der Ausschuss nicht, auch nicht die Opposition, Schick spricht von "Material für die nächste Legislaturperiode". Er fordert die Schaffung von Notfallplänen für Banken, die wegen ihrer Größe in einer Krise gerettet werden müssten.
Troost mahnt eine engere Kooperation von Bundesbank und Bafin an. Über alle Parteigrenzen hinweg wird verlangt, die internationale Aufsicht über Kreditinstitute zu verstärken. Hauer wirft die Frage nach der Höhe der Eigenkapitalausstattung von Banken und der Boni-Begrenzung für Manager auf.
Ein zentrales Thema künftiger Debatten dürfte sein, ob die Aufsicht auch Geschäftsmodelle von Kreditinstituten unter die Lupe nehmen soll. Troost setzt sich für eine solche Kompetenzerweiterung ein - man müsse zu riskante Praktiken untersagen können. Hauer betont aber, Vor- und Nachteile einer solchen Regelung müssten genau geprüft werden: So sei etwa zu klären, wer hafte, wenn nach dem Verbot eines Geschäftsmodells etwas schief laufe. Auch für Dautzenberg handelt es sich um ein "sehr schwieriges Feld". Doch solle die Aufsicht eingreifen können, wenn ein Geschäftsmodell zu Verwerfungen zu führen drohe.