UN-KLIMAKONFERENZ
Europaparlament steckt Kurs für Verhandlungen in Kopenhagen ab
Die Gruppe der Klimaskeptiker im neuen Europaparlament ist überschaubar. Bei der Debatte, die am 20. Oktober den Klimagipfel in Kopenhagen vorbereiten sollte, wurde deutlich: Nur eine verschwindend kleine Minderheit glaubt, dass die Erderwärmung auf natürliche Klimaschwankungen zurückzuführen sei und die Klimapolitik ausschließlich dem Ziel diene, dem Steuerzahler in die Tasche zu greifen.
Mehr als 90 Prozent der Abgeordneten hingegen drängen ihre Regierungen und die EU-Kommission, mit großzügigen finanziellen Angeboten und klaren Selbstverpflichtungen in die Klimaverhandlungen im Dezember in Kopenhagen einzusteigen. Beim derzeitigen Ratspräsidenten, dem schwedischen Umweltminister Andreas Carlgren, stoßen sie damit auf offene Ohren. Er hält an dem Ziel fest, die CO2-Emissionen innerhalb der EU bis 2020 um 30 Prozent zu senken. Etwa einhundert Milliarden Euro pro Jahr müssten von der Weltgemeinschaft aufgebracht werden, damit die Entwicklungsländer ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
Die Mitgliedstaaten haben allerdings beschlossen, das 30-Prozent-Ziel nur anzustreben, wenn auch andere Industriestaaten in Kopenhagen ehrgeizige Verpflichtungen eingehen. Carlgren sagte vor dem Europaparlament, aus Japan gebe es "hoffnungsvolle Signale." Entwicklungskommissar Karel de Gucht betonte, vor allem denjenigen armen Ländern, die vom Klimawandel stark betroffen seien, aber selbst nicht zu den Verursachern gehörten, müsse geholfen werden. Auch gelte es, Entwicklungspolitik und Klimapolitik künftig auf intelligente Weise zu verknüpfen. Abgeordnete der Linken, der Sozialisten und der Grünen unterstützten diese Forderung. Die französische Sozialistin Véronique de Keyser sagte, die armen Länder seien von der Finanz- und der Klimakrise besonders hart betroffen. Die reichen Länder müssten endlich ihr Versprechen einlösen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Entwicklungshilfe auszugeben. Satu Hassi von den finnischen Grünen forderte, mit einem großzügigen Angebot an die Entwicklungsländer in die Kopenhagener Verhandlungen einzusteigen:"Die EU-Kommission hat 15 Milliarden vorgeschlagen. Das ist nicht ausreichend. Wir sollten 30 Milliarden Euro anbieten."
Auch der deutsche SPD-Abgeordnete Jo Leinen forderte, dass Europa sich im Jahr 2020 mit 30 Milliarden Euro an den Klimaschutzmaßnahmen in armen Ländern beteiligen solle. "Der Atmosphäre ist es egal, wo das CO2 herkommt", sagte Leinen: "Wir brauchen einen weltweiten Pakt der reichen mit den armen Ländern." Die neuen Finanzierungsinstrumente dürften nicht von der Haushaltslage der reichen Länder abhängig sein. Um mehr Geld in die Kasse zu bekommen, müssten der Schiffs- und Luftverkehr und die Landwirtschaft in den Emissionshandel einbezogen werden. Der deutsche CDU-Umweltexperte Karl-Heinz Florenz hingegen warnte vor "einem Wettbewerb um die Höhe der bereitgestellten Gelder". Wichtig sei es, Kriterien darüber aufzustellen, wofür das Geld ausgegeben werden solle: "Wenn wir die richtigen Standards haben, werden wir effiziente neue Technologien entwickeln und exportieren können, zum Beispiel nach China." Dem widersprach Karel de Gucht: "Wir müssen in Vorleistung treten, damit die anderen wirtschaftlichen Schwergewichte ebenfalls Angebote machen. Erst wenn wir Europäer etwas anbieten, können wir den Stillstand in den Verhandlungen überwinden."
Die EU-Finanzminister stellten sich angesichts der Appelle von Parlament und Kommission taub. Sie machten zwar Überstunden bei ihrer Sitzung, konnten sich aber nicht zu einem Angebot an die Entwicklungsländer durchringen. "Es ist enttäuschend, dass wir keine Einigung zur Klimafinanzierung hinbekommen haben", gestand der schwedische Ratspräsident Anders Borg anschließend: "Das bedeutet, dass wir die strittigen Fragen beim Gipfel Ende des Monats in Brüssel klären müssen."
Optimistischer äußerte sich Währungskommissar Joaquim Almunia: "Das Treffen in Kopenhagen wird nicht schwierig, weil Europa zögert, sondern weil die anderen Partner zögerlich sind." Für die Kostenverteilung innerhalb der EU werde man vor Kopenhagen eine Lösung finden, da es nur noch um Details gehe. Das Prinzip sei ja klar. Damit bezog sich Almunia auf eine grundsätzliche Einigung der EU-Regierungen, die Kosten nach dem CO2-Ausstoß und der Wirtschaftskraft jedes Landes aufzuschlüsseln. Dieser Konsens allerdings wird von den osteuropäischen Ländern infrage gestellt. Polen lehnte beim Finanzministertreffen jede finanzielle Beteiligung an den Kosten für ärmere Länder ab. Die Umweltminister einigten sich einen Tag später immerhin darauf, Luft- und Schiffsverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Die Verhandlungen über diese und andere strittige Fragen werden auch nach der Klimakonferenz in Kopenhagen weitergehen. "Wir werden nach Kopenhagen weiterverhandeln müssen", sagte der Generaldirektor für Umwelt der EU-Kommission, Karl Falkenberg in Berlin. Dabei wies er darauf hin, dass in den USA die Entscheidung über ein nationales Klimagesetz durch den Kongress noch ausstehe, was auch die Positionierung anderer Staaten erschwere. Und mit Blick auf ein konkretes Ergebnis sagte er: "Das letzte Wort ist nicht drei Monate vorher bekannt, sondern drei Minuten vor Schluss."