PRÄSIDIUM
Die Zahl der Stellvertreter war oft umstritten
Wenn der 73-jährige CDU-Abgeordnete Heinz Riesenhuber am 27. Oktober um 11.00 Uhr in Berlin als Alterspräsident des 17. Deutschen Bundestages die konstituierende Sitzung des neu gewählten Parlaments eröffnet und damit die neue Legislaturperiode begonnen hat, ist Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nicht mehr im Amt - für vielleicht anderthalb Stunden. Danach dürfte der von CDU/CSU als größten Fraktion erneut für das zweithöchste Staatsamt nominierte Präsident wieder an die Spitze des Parlaments gewählt sein, zum zweiten Mal nach 2005. An Lammerts Wiederwahl gibt es keinen Zweifel; vor vier Jahren erreichte er mit 92,9 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis, das ein Bundestagspräsident je bei seiner ersten Wahl in das Amt erzielte.
Auch wenn es in Deutschland keine offizielle protokollarische Rangfolge gibt, gilt der Bundestagspräsident als Nummer Zwei im Staate nach dem Bundespräsidenten, da er der Repräsentant des einzigen unmittelbar vom Volk gewählten Verfassungsorgans ist. Ebenfalls nicht festgeschrieben ist, dass immer die größte Fraktion den Präsidenten stellt; diese Tradition folgt vielmehr einem alten Parlamentsbrauch.
Zu den Aufgaben des Bundestagspräsidenten gehört nicht nur die Leitung der Plenarsitzungen, bei der er sich mit seinen Stellvertretern abwechselt. Er "vertritt den Bundestag und regelt seine Geschäfte", heißt es unter anderem in der Geschäftsordnung. Auch setzt er jährlich die Höhe der staatlichen Mittel zur Parteienfinanzierung fest.
Gemeinsam mit dem Präsidenten bilden seine Stellvertreter das Präsidium des Bundestages. Es tritt in jeder Sitzungswoche des Parlaments zusammen und wirkt unter anderem an Personalangelegenheiten der Bundestagsverwaltung und beim Abschluss wichtiger Verträge mit.
Immer wieder Streit gab es um die Zahl der Vizepräsidenten - eine Frage, die auch in diesen Tagen die Gemüter bewegte. So hätte die arg dezimierte SPD-Fraktion gerne wie in den vergangenen vier Jahren zwei ihrer Mitglieder in das Parlamentspräsidium entsendet, muss sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse aber damit abfinden, künftig wie alle anderen Fraktionen nur einen Vizepräsidenten zu stellen.
Erst 2005 hatte der 16. Bundestag bei seiner konstituierenden Sitzung eine Erweiterung des Präsidiums um einen weiteren Vizepräsidentenposten beschlossen: Danach besetzten die drei kleineren Fraktionen in der zurückliegenden Wahlperiode je einen Vizepräsidentenstuhl, während Union und SPD im Präsidium mit je zwei Mitgliedern vertreten waren.
Seit dem Beginn der 13. Wahlperiode 1994 hat jede Fraktion das Recht auf ein Grundmandat im Bundestagspräsidium. Damals waren die Grünen wieder in Fraktionsstärke in das Parlament eingezogen und beanspruchten als drittstärkste Kraft einen Platz im Präsidium. Allerdings war keine Mehrheit für eine Vergrößerung zu erwarten, während die FDP als kleinste Fraktion nicht aus dem Gremium ausscheiden wollte und die SPD darauf beharrte, wie bisher zwei Vizepräsidenten zu stellen.
Schließlich stimmte die Unionsfraktion dem Antrag der Grünen zu, jeder Fraktion ein Grundmandat im Präsidium einzuräumen. Abgelehnt wurde dagegen der anschließende Antrag der SPD, das Präsidium auf sechs Mitglieder zu erweitern, ebenso wie ein Antrag der damaligen PDS-Gruppe, gleichfalls einen Vertreter in das Präsidium entsenden zu können.
Die PDS stellte dann in der folgenden 14. Wahlperiode, in der sie erstmals in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten war, eine Vizepräsidentin. Dass das Recht jeder Fraktion auf ein Grundmandat nicht automatisch jedem aufgestellten Kandidaten auch die notwendige Mehrheit sichert, musste 2005 der damalige PDS-Chef Lothar Bisky erfahren, der bei der Wahl der Vizepräsidenten mehrfach scheiterte; erst im Frühjahr 2006 wurde schließlich statt Bisky seine Fraktionskollegin Petra Pau in das Bundestagspräsidium gewählt.
Bis 1994 war die Zahl der Stellvertreter des Bundestagspräsidenten in der Geschäftsordnung gar nicht festgelegt. Von der 1. bis 9. Legislaturperiode beruhte sie auf interfraktionellen Vereinbarungen, bis nach dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 erstmals über die Zahl der Vizepräsidenten abgestimmt wurde. Ihr damaliger Antrag, die Stellvertreterzahl auf fünf zu erhöhen, wurde ebenso abgelehnt wie ihr ähnlicher Vorstoß vier Jahre danach; beide Male wurde die Zahl der Vizepräsidenten auf vier begrenzt.
Gewählt werden der Präsident wie auch seine Stellvertreter übrigens für die Dauer der gesamten Wahlperiode. Von den Vizepräsidenten der 16. Legislaturperiode sind neben Pau (Linke) auch Wolfgang Thierse (SPD), Gerda Hasselfeldt (CSU) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) von ihren Fraktionen für eine erneute Amtszeit nominiert. Ob für die FDP erneut Hermann Otto Solms für das Vizepräsidentenamt kandidiert, war bei Redaktionsschluss noch vom Ausgang der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen abhängig.