Berlin: (hib/VOM) Weder die Vertreter von
Familienunternehmen noch die Wissenschaftler sind mit dem
Regierungsentwurf für eine Reform des Erbschaftsteuer- und
Bewertungsrechts (
16/7918) richtig zufrieden. Dies zeigte sich
bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, die
am Mittwochvormittag begonnen hat. Gegenstand sind neben dem
Regierungsentwurf auch ein Gesetzentwurf der FDP (
16/2087), ein Antrag der Liberalen, der
fordert, dass die Reform nicht mit einer Steuererhöhung
verbunden sein dürfe (
16/7765), sowie Anträge der Linksfraktion
(
16/3348) und der Bündnisgrünen (
16/8185) für eine gerechte Reform der
Erbschaftsbesteuerung. Die Regierung war mit ihrem Entwurf einer
Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, die
Besteuerung von Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen
an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen
Betrieben "verfassungsfest" zu machen. Das Gericht hatte die
bisherige Wertermittlung der genannten Vermögensarten als
verfassungswidrig bezeichnet. Die künftige Bewertung soll sich
nach dem Willen der Regierung am "gemeinen Wert", also am
Verkehrswert orientieren. Vorgesehen ist zudem eine Anhebung der
Freibeträge und einiger Steuersätze in den Steuerklassen
II und III bei Erbfällen außerhalb des engeren
Familienrahmens. Beim Unternehmensübergang sollen 85 Prozent
des Betriebsvermögens unter bestimmten Voraussetzungen von
einer "Verschonungsregelung" profitieren können, während
die restlichen 15 Prozent nach Abzug eines Freibetrags von maximal
150.000 Euro immer besteuert werden. Mehrere Sachverständige
bezeichneten den Zeitraum von 15 Jahren, um den
Betriebsübergang mit Hilfe der Verschonungsregelung
erbschaftsteuerfrei zu gestalten, als zu lang. Wird der Betrieb von
den Erben 15 Jahre lang weitergeführt und unterschreitet die
Lohnsumme in den ersten zehn Jahren nicht 70 Prozent des
Durchschnittswerts der letzten fünf Jahre davor, dann wird
nach den Regierungsplänen die Erbschaftsteuer nicht erhoben.
Diese Begünstigung ist nach Aussage von Sabina Gerhart vom
Deutschen Unternehmensverband Vermögensberatung an "in der
Regel unerfüllbare Bedingungen geknüpft". Aus diesem
Grund rechneten auch viele Familienunternehmen mit einer
höheren Erbschaftsteuerbelastung, wie Peer-Robin Paulus vom
Verein "Die Familienunternehmer - ASU" ausführte. Bei einem
Verstoß innerhalb dieser 15 Jahre solle die Steuerschuld
nicht in voller Höhe fällig werden, sondern lediglich
zeitanteilig. Misslich nannte er die Regelung zum
Verwaltungsvermögen. Danach ist vorgesehen, dass die
Verschonungsregelung nur dann gewählt werden kann, wenn das
Verwaltungsvermögen nicht mehr als die Hälfte des
Gesamtbetriebsvermögens ausmacht. Davon wäre etwa der
ARAG-Versicherungskonzern als größtes deutsches
Versicherungsunternehmen im Familienbesitz betroffen, wie der
Vorstandsvorsitzende Paul-Otto Fassbender deutlich machte. Weil bei
Versicherungen wie bei Finanzdienstleistern das
Verwaltungsvermögen mehr als die Hälfte des
Betriebsvermögens ausmache, käme die ARAG nicht in den
Genuss der Verschonungsregelung. "Wir sind dann in einer
existenziellen Bedrohung", sagte Fassbender, es bliebe nur der
Verkauf an "fremde Investoren". Alfons Kühn vom Deutschen
Industrie- und Handelskammertag kritisierte den hohen
Überwachungsaufwand der Verschonungsregelung für eine
Steuer, die "bestenfalls gar nicht erhoben werden kann", und
stellte deren Verhältnismäßigkeit in Frage. Thomas
Lindner vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)
plädierte dafür, die Fristen drastisch zu reduzieren und
gesetzliche Öffnungsklauseln zu schaffen, wenn nachgewiesen
werden könne, dass ein Arbeitsplatzabbau betriebsnotwendig ist
und nicht allein der Renditesteigerung dient. Reinhold Borgdorf vom
Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter bezeichnete die
Verschonungsregelung als "wenig zielgenau". Es gebe Unternehmen,
die die geforderte Lohnsumme nicht einhalten könnten und
dafür noch mit der Erbschaftsteuerschuld belastet würden.
Andererseits könnten florierende Unternehmen die Regelung in
Anspruch nehmen, obwohl sie diese "Subvention" nicht nötig
hätten. Der Rechtswissenschaftler Professor Joachim Wieland
aus Speyer unterstrich, wenn die Erbschaftsteuer erhalten bleiben
solle, müsse es überzeugende Gründe für eine
Verschonungsregelung geben. Der Bremer Ökonom Professor Rudolf
Hickel bezeichnete die Verschonungsregelung als "insgesamt
problematisch" und riet dazu, einen anderen Weg zu finden. Die
Regelung sei missbrauchsanfällig und führe zu
Verunsicherung, so Hickel.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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(ab 01.04.2008 )
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