Auch ein Jahr nach Amtsantritt zeigen die neuen georgischen Politiker Entschlossenheit, weitreichende politische, gesetzliche, soziale und wirtschaftliche Reformen durchzuführen. Das bisher Erreichte, insbesondere die friedliche Wiedereingliederung von Adscharien, zeigt positive Entwicklungen. Jedoch ist die Liste der noch offenen Verpflichtungen, die das Land mit der Aufnahme in den Europarat eingegangen ist, noch lang. Mit dieser Aussage zog die Parlamentarische Versammlung des Europarats am 24. Januar in Straßburg eine Zwischenbilanz des laufenden Monitoringverfahrens und beschloss, die Überwachung bis zu einer erneuten Überprüfung im Oktober fortzusetzen. Als besondere Herausforderungen werden die Korruptionsbekämpfung, die Umsetzung der Menschen- und Minderheitenrechte, die Reform des Justizwesens und die gegenseitige demokratische Kontrolle der Institutionen genannt.
Das Ausmaß an Korruption und Gesetzlosigkeit in Georgien unter der früheren Regierung, so heißt es in der Entschließung, hätten zu der so genannten Rosen-Revolution geführt. Jetzt sei es an der Zeit, die Lage zu normalisieren und den demokratischen und rechtsstaatlichen Prozess zu stabilisieren. Die nachrevolutionäre Situation sollte nicht zu einem Alibi für übereilte Entscheidungen und eine Missachtung demokratischer und Menschenrechtsnormen werden. Bei den beiden nachfolgenden Wahlen sei eine sehr starke Regierung entstanden, was vorteilhaft für die Bewältigung der politischen, wirtschaftlichen und Sicherheitsprobleme des Landes sein könne. Voraussetzung aber sei, dass eine starke Regierung einhergehe mit einem starken und funktionierenden System der wechselseitigen Kontrolle der Verfassungsorgane. Dies sei bislang noch nicht der Fall. Heute besitzt Georgien ein semipräsidiales System mit sehr starken Machtbefugnissen des Präsidenten, praktisch keine parlamentarische Opposition, eine geschwächte Zivilgesellschaft, ein Justizsystem, das noch nicht ausreichend unabhängig und funktionsfähig ist, eine unterentwickelte oder nicht existierende kommunale Demokratie, sich selbst zensierende Medien und ein unzureichendes Autonomiemodell für Adscharien. Georgien wird deshalb aufgefordert, eine zweite Parlamentskammer einzusetzen, um die Vertretung der autonomen Regionen auf Staatsebene sicherzustellen.
Weiter wird eine schnelle Reform des Justizsystems, der Generalstaatsanwaltschaft und der Polizei gefordert, um jede unangemessene Einmischung der Exekutive in die Justizverwaltung zu verhindern. Besondere Anstrengungen werden auch in Zukunft gemacht werden müssen, um die Korruption auszurotten, stellt die Versammlung fest. Dabei müsse die derzeitige Praxis der Absprache zwischen Anklage und Verteidigung kritisch überprüft werden, welche es derzeitig Straftätern ermögliche, die Erträge aus ihren Straftaten dafür zu verwenden, sich von einer Haftstrafe frei zu kaufen. Gleichzeitig wird Russland aufgefordert, dabei mitzuhelfen, die Voraussetzungen für eine weitgehende Autonomie von Südossetien und Abchasien und die territoriale Unversehrtheit von Georgien zu schaffen.
In seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats stellte der Präsident von Georgien, Micheil Saakaschwili, zwei Tage später eine Intiative für eine friedliche Lösung des Konflikts um Südossetien vor. Der Plan sehe unter anderem eine weitgehende Autonomie für die Region vor. Mit der Autonomie werde das Recht auf eine von der überwiegend russischen Bevölkerung gewählte lokale Regierung mit Exekutive und einem eigenen Parlament garantiert.