Um diese Schlüsselfrage des Überlebens unserer Zivilisation zu beantworten, erforschen seit gut einem Jahrzehnt drei Psychologen renommierter amerikanischer Universitäten - Howard Gardner (Harvard), Mihaly Csikszentmihalyi (Claremont) und William Damon (Stanford) -, wie Spitzenkräfte in unterschiedlichsten Berufsfeldern "gute Arbeit" leisten. Sie haben dabei zwei Berufsgruppen etwas genauer unter die Lupe genommen: Genforscher und Journalisten. Die einen sind "potentiell in der Lage, die Zusammensetzung unseres Körpers zu kontrollieren", die anderen "den Inhalt unserer Köpfe".
Das Verständnis, was "gute Arbeit" in der Genforschung und im Journalismus ausmacht, gilt den Autoren als "essentiell für das dauerhafte Überleben unserer menschlichen Spezies". Zumal das Autorenteam "unheilvolle Kräfte am Werk" sieht - gemeint sind vor allem der "Einzug machtvoller, aber kaum noch verstandener Technologien" und "das unbeherrschbare Eigenleben des Marktes". Dem kann allein mit "Good Work" Paroli geboten werden.
Zumindest in den USA, so das Zwischenergebnis dieser Langzeitstudie, fühlen sich Genforscher inmitten einer euphorischen Aufbruchphase. Visionen von einer Zukunft ohne Leid und Krankheit kursieren, wobei die Risiken einer Manipulation des menschlichen Genoms oder die Gefahren eugenischer Exesse zumeist vernachlässigt werden. Man glaubt nicht nur an eine segensreiche, sondern auch an eine gewinnträchtige Zukunft der Branche. Dass inzwischen die meisten Experimente am Menschen nicht mehr in akademischen Forschungseinrichtungen, sondern in gewinnorientierten Firmen stattfinden, wird kaum problematisiert.
Dagegen betrachten amerikanische Medienleute die Veränderungen ihres Metiers weitaus kritischer. "Die heutigen Journalisten", so die Autoren, "sehen ihre Alpträume bereits verwirklicht." Sie fühlen sich von Unternehmern, die "nur auf die Ausweitung ihres Marktanteils bedacht sind" sowie von einem Publikum, das "eher mit oberflächlichen Geschichten unterhalten als durch fundierte Berichterstattung informiert" werden will, in die Zange genommen. Angesichts der ungezügelten Marktorientierung wird ein weiterer Abbau des Qualitätsjournalismus zugunsten des Quotenjournalismus, begleitet vom Niedergang berufsethischer Maßstäbe, erwartet.
Ähnliche Entwicklungen machen die Autoren auch in anderen Berufsfeldern aus. Die Hauptursache ist dann aber - nicht überraschend - überall gleich: "Eine über alle Maßen engstirnige, unbarmherzige Mentalität der Raffgier, die die Gans zu erdrücken droht, die goldene Eier legen soll."
Der umfangreichen Kritik an den bestehenden Verhältnissen folgen Vorschläge zur Besserung: So fordern die Autoren unabhängige Institutionen, die dafür sorgen sollen, dass Spitzenleistung stärker mit Ethik verknüpft wird. Auch sollen ausgemachte Vorbilder des "Good Work" dem Nachwuchs vermitteln, dass etwa die Suche nach "Wahrheit" allemal wichtiger ist als der Kampf um Marktanteile. Eine Schlüsselstellung sollen Erziehung und Bildung einnehmen, um ein leistungs- und zugleich auch ethikorientiertes Umfeld zu schaffen, das fachliche Kompetenz nachhaltig mit Verantwortungsbewusstsein zu verknüpfen vermag.
Die lebensnahen Schilderungen der Arbeitsbedingungen und Gemütszustände von Leistungsträgern machen dieses Buch zu einem eindringlichen Zeitzeugnis. Doch jene Formel der drei Psychologen - "Wer gute Arbeit leistet, fühlt sich auch gut" - ist wohl eher eine Wunschformel. Ganz offensichtlich fühlen sich oft zumeist die falschen Leute "gut".
So preisen die Autoren ausgerechnet eine Institution wie das NIH (National Institute of Health) als Hoffnungsträger des "Good Work" an, obwohl sie wenige Kapitel zuvor - als es um die Vergabe von Forschungsfördermitteln ging - noch einen Insider mit den Worten zitiert haben, dass das NIH "die korrupteste Organisation diesseits der mexikanischen Grenze" sei. Oder es wird jungen Wissenschaftlern der Nobelpreisträger James Watson als Vorbild empfohlen, obwohl dessen haarsträubende eugenischen Vorstellungen immer wieder für weltweite Empörung sorgten.
Leider nehmen die Autoren oftmals überlange Anläufe und neigen zu ermüdenden Wiederholungen, um ihre in der Tat bemerkenswerten Forschungsergebnisse zu präsentieren. Dennoch ist dieses Buch empfehlenswert. Denn es verdeutlicht zum einen, an welcher Art von Leistungsträgern man in den USA - und nicht nur dort - leidet. Und es erklärt zum anderen, warum ohne jene Good-Work-Therapie die Menschheit von einer globalen Krise in die nächste taumeln wird.
Howard Gardner, Mihaly Csikszentmihalyi,
William Damon
Good Work! Für eine neue Ethik im Beruf.
Klett-Cotta, Stuttgart, 2005; 436 S., 22,50 Euro
Reinhard Lassek lebt in Celle, wo er als freier Journalist vorwiegend zu naturwissenschaftlichen und ethischen Fragen arbeitet.