Zeit wurde dies wohl, denn Alkoholmissbrauch kostet Jahr für Jahr Tausende von Menschenleben, und das "Einstiegalter" wird immer niedriger. Warnhinweise auf den Flaschen oder der Verkauf nur noch in speziellen Alko-Läden sind nur zwei der Varianten, über die nachgedacht wird, ohne dass allerdings bereits ein Königsweg gefunden wäre.
"Übermäßigen Alkoholkonsum kann man nicht durch Stigmatisierung und Repression und vor allem nicht durch immer schärfere gesetzliche Regelungen lösen", sagt der sucht- und drogenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Detlef Parr. Er lehne daher die in dem EU-Strategiepapier enthaltenen Vorschläge ab. Strenge Verbote und Restriktionen führten zum verstärkten Ausweichen in den illegalen Konsum, dämmten diesen jedoch nicht ein: "Heimliches Schnapsbrennen zu Hause ist in Schweden ein Problem - in Deutschland nicht." Maßvoller Alkoholkonsum sei seit Jahrhunderten in Europa europaweit gesellschaftlich akzeptiert. Wein gehöre ebenso zu einem guten Essen wie das Bier zu einem geselligen Abend. Erst der maßlose Umgang damit sei als gesundheitspolitisch problematisch anzusehen. Der FDP-Parlamentarier weiter: "Der Konsum von Hochprozentigem in jungen Jahren oder das so genannte ?Komasaufen' Jugendlicher als Mutprobe sind allerdings gefährliche Unsitten, denen wir konsequent entgegentreten müssen. Nicht mit mehr Restriktion, sondern mit Aufklärung, Informationen und Fürsorge für die Betroffenen muss man dem entgegnen." In den Familien, in Schulen und Betrieben müsse auf diese Weise gegengesteuert und über die Einsicht vernünftiges Verhalten vermittelt werden. Das, was gesetzlich zu regeln sei, sei in Deutschland geregelt. Es gebe ein umfassendes Jugendschutzgesetz und klare Promillegrenzen für Alkohol am Steuer. Diese Rechtslage werde schon heute nicht ausreichend ausgeschöpft. Würde das Verkaufspersonal konsequent das Alter der Käufer von Alkohol kontrollieren, so wäre dem übermäßigen Erwerb der bei Kindern so beliebten Alkopops schon Einhalt geboten. Eine entsprechende Kennzeichnung der Produkte würde helfen, die Aufmerksamkeit der Verkäufer zu erhöhen. Auch eine Selbstverpflichtung der Unternehmen, alkoholhaltige Getränke nicht auf Jugendliche hin zu bewerben, gehöre dazu.
Zunächst solle man abwarten, was die für Ende des Jahres geplante EU-Mitteilung zur Alkohol-Politik tatsächlich aussage und nicht darüber spekulieren, was darin stehen könnte, sondern in Deutschland angehen, was nötig sei, ist das Votum von Birgitt Bender. Auch die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen bekräftigt, dass ein Glas Wein zum Essen zu unserer Kultur gehöre und man es genießen sollte. Probleme gebe es aber dann, wenn der Genuss zur Sucht werde. Mit einem Pro-Kopf-Konsum von 10,2 Liter reinem Alkohol befinde sich Deutschland in Europa in der "Spitzengruppe". Besorgniserregend sei der Alkoholkonsum von Jugendlichen, sowie von etwa 14 Prozent der 18- bis 59-jährigen Bevölkerung - insbesondere Männer - mit riskantem, gefährlichem oder Hochkonsum. Mit drei konkreten Vorschlägen will Birgitt Bender dem Problem begegnen: Zunächst müsse für ein möglichst hohes Einstiegsalter beim Erstkonsum von Alkohol gesorgt werden. "Statt zu diskutieren, ob das Verkaufsalter auf 18 Jahre angehoben werden soll, sollten die bestehenden Jugendschutzregelungen durchgesetzt werden - hier sind die Bundesländer gefragt." Bei den Alkopops seien beispielsweise im vergangenen Jahr wirksame Maßnahmen wie eine Sondersteuer und Warnhinweise beschlossen worden. Weiter müsse "Punktnüchternheit" nicht nur um Straßenverkehr angestrebt werden. Ein Schritt in diese Richtung sei die schon 2001 abgesenkte Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 beziehungsweise 0,3 bei Fahrunsicherheit und Unfällen. Weiter gelte es, Menschen mit problematischem Alkoholkonsum frühzeitig zu erkennen, zu beraten und zu behandeln. Hier zeige der gemeinsam mit den Bundesländern verabschiedete "Aktionsplan Drogen und Sucht" hilfreiche Angebote, die nun umgesetzt werden müssten. Dazu gehörten der Ausbau der ambulanten Behandlung, eine bessere Verknüpfung ambulanter und stationärer Angebote, die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Gewaltanwendung oder migrationsbedingte Hintergründe.
Wie einfach es für Kinder und Jugendliche ist, sich Alkohol zu besorgen, beschreibt Gerlinde Kaupa. Selbst Mädchen und Jungen, welche ganz eindeutig nicht älter als 12, 13 oder 14 Jahre sind, kommen "meist schnell und unkompliziert an Bier oder Schnaps. Macht der Handel Schwierigkeiten, wird der älter aussehende Freund engagiert". Dies vehement und mit aller Kraft zu unterbinden, verlangt die CSU-Bundestagsabgeordnete, und deshalb trifft der Vorschlag des EU-Gesundheitsministers Marko Kyprianos, die Strafverfolgung bei der Missachtung der Jugendschutzbestimmung zu verschärfen, auch auf ihre ungeteilte Zustimmung. Doch neue Gesetze hält sie nicht für erforderlich. Mit den bestehenden Jugendschutzregelungen gebe es eigentlich ein wirksames Instrument zur Verhinderung von Alkoholmissbrauch, Es müsse nur konsequent angewendet werden, doch an diesem Punkt hake es massiv. Gerlinde Kaupa: "Kommunen und Ordnungsämter müssen ihrer Pflicht nachkommen und den Verkauf von Branntwein an Minderjährige gezielt und regelmäßig kontrollieren und gegebenenfalls mit dem Höchststrafmaß von 50.000 Euro sanktionieren. Hersteller, Handel und Gastronomie sind gefordert, ihr Verkaufspersonal regelmäßig zu schulen, so dass der Verkauf von Alkohol an Kinder ausgeschlossen werden kann." Da Jugendliche sich immer häufiger auf älter aussehend trimmten, sei konsequent ein Altersnachweis einzufordern. Darüber hinaus seien die Hersteller gefordert, ihre Produkte eindeutig zu kennzeichnen. Handel, Herstellern und Gastronomie müssten klar sein: Die Vermarktung und der Verkauf von Alkohol an Minderjährige ist verboten. Darüber hinaus sei auch die Gesellschaft gefordert, nicht stumm wegzuschauen, wenn sich Kinder und Jugendliche in aller Öffentlichkeit "besaufen". Die Hoffnung der CSU-Parlamentarierin und drogenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion: "Hier muss endlich eine Bewusstseinsänderung eintreten. Ein weiterer Gesetzes- und Vorschriftenkatalog aus Brüssel ist hierfür aber nicht notwendig."