Das Parlament: Seit rund 15 Jahren engagieren Sie sich bereits für die Yanomami-Indianer. Wie dringend ist die Hilfe für dieses Naturvolk immer noch?
Christina Haverkamp: In Brasilien sind die Yanomami erstmals medizinisch versorgt. Jetzt liegt der Schwerpunkt meiner Arbeit bei den Stämmen in Venezuela, die mich um Hilfe gebeten haben. Dort erreicht die medizinische Versorgung nur 20 Prozent der Yanomami. Das Hauptproblem ist die Infrastruktur. Es ist auch wichtig, die Regierung vor Ort in die Pflicht zu nehmen. Das Ziel ist, dass die einheimischen NGOs (Nichtregierungsorganisationen - Red.) und die Indianer die Arbeit später übernehmen und selbstständig weiterführen. In Brasilien ist das bereits der Fall. Es gibt aber sehr wenig Leute, die Lust haben, im Dschungel zu arbeiten.
Das Parlament: Wie viele Projekte haben Sie schon verwirklicht?
Christina Haverkamp: Bislang sind es drei Krankenstationen und zwei Schulen, in denen die Yanomami ihre Sprache und die Sprache des Landes lernen. Ich arbeite immer an vielen kleinen Projekten. Mein aktuells-tes ist eine mobile Krankenstation auf einem Schiff für die Yanomami in Venezuela. Damit soll medizinische Hilfe auch abgelegene Yanomami-Dörfer erreichen. Kos-tenpunkt: 50.000 Euro. Ich hoffe, dass die Regierung und die venezolanischen NGOs später die Arbeit übernehmen.
Das Parlament: Eine ketzerische Frage: Wie lange wollen Sie sich auf diesem Gebiet noch engagieren?
Christina Haverkamp: Solange ich mich bewegen kann, werden Menschenrechte für mich wichtig sein. Wie Tilman Zülch (Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker - Red.) sagt: "Wir als Menschenrechtler werden nie arbeitslos werden." Für die Yanomami will ich nur solange arbeiten, wie sie mich bitten und es wollen. Es gibt in der ganzen Welt genug zu tun. Zum Beispiel für Aids-Kranke in Afrika.
Das Parlament: Wieso sprechen Sie ausgerechnet Schüler an und bitten sie um Hilfe? Hat das vielleicht etwas mit Ihrem "bürgerlichen" Beruf zu tun?
Christina Haverkamp: Nein, mit meinem Beruf als Lehrerin hat es nichts zu tun. Es ist aus meiner Sicht ganz wichtig, in unserer Zeit, die sehr konsumorientiert ist, gerade junge Menschen auf zwei Dinge hinzuweisen: Zum einen - es gibt ganz einfache Lebensformen, um glücklich zu sein; Schüler fühlen sich da angesprochen. Zweitens - es gibt eine Pflicht Menschen zu helfen, denen es nicht so gut geht wie uns.
Kinder können außerdem auch lernen, was es bedeutet, lokal zu handeln und global zu helfen; in meinen Vorträgen zeige ich, wie die brasilianische Regierung durch den internationalen Druck gezwungen war, die Bedrohung der Indianer anzuerkennen und die Goldsucher, die ihre Existenz bedrohten, zum größten Teil aus dem Gebiet herauszuholen.
Das Parlament: Wie sind die Reaktionen der Schüler?
Christina Haverkamp: Durchweg positiv. Sie fühlen sich angesprochen. Am meisten motiviert mich, wenn zum Beispiel ein Kind nach dem Vortrag zurückbleibt und sagt "Danke" oder "Es hat mir gefallen". Und auch die Aktionen, wenn die Schüler richtig heiß sind, etwas zu machen, was wiederum auch von den Lehrern abhängt.
Das Parlament: Welchen Anteil haben die Schülerspenden und -aktionen an der Finanzierung der Projekte?
Christina Haverkamp: Das macht rund die Hälfte der Gelder aus. Zum einen sind es die Einnahmen aus meinen Vorträgen - die Kinder und Jugendlichen werden gebeten, einen Beitrag von 2 Euro als Eintritt zu bezahlen. Hinzu kommen Spenden aus Aktionen, die die Schüler nach den Vorträgen organisieren, um den Yanomami zu helfen. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es gab schon Weih-nachtsbasare, Rockkonzerte, Ausstellungen, Flohmärkte, einen Hungertag ...
Das Parlament: Einen Hungertag?
Christina Haverkamp: Ja. Die Schüler sind auf die Idee gekommen, einen Tag auf Essen zu verzichten und sich das sponsern zu lassen. Das Ergebnis waren 14.000 Euro. 26.000 DM hat einmal ein - ähnlich gesponserter - Arbeitstag von 600 Schülern an der selben Schule in Wörth am Rhein eingebracht. Andere verkaufen Vogelhäuschen für die Yanomami... Die sonstigen Gelder kommen von privaten Sponsoren und anderen Hilfsorganisationen wie Christophorus-Blindenmission oder action medeor.
Das Parlament: Wie viele Schulen haben Sie bereits erreicht?
Christina Haverkamp: Ich zähle sie gar nicht mehr. Drei bis sechs Monate im Jahr bin ich auf Vortragstour. Ich erreiche Tausende von Schülern in Grund-, Haupt-, Realschulen und an Gymnasien. Das "Problem" sind oft die Lehrer. Viele tun sich da schwer, haben Angst vor Unterrichtsausfall, sehen darin Mehrarbeit. Manchmal muss ich richtig Überzeugungsarbeit leisten. Zum Glück sind nicht alle so.
Das Parlament: Was machen Sie, um zu entspannen?
Christina Haverkamp: Einige Wochen im Jahr segle ich auf hoher See. Das brauche ich als Regeneration; sonst drehst du durch.