Interview mit Johanna Wanka, Brandenburgs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur und seit 2005 Präsidentin der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK).
Das Parlament: Frau Wanka, Sie haben die
Kultusministerkonferenz in einer Phase der Neuorientierung
übernommen. Worin sehen Sie die Herausforderung für diese
Aufgabe, die Sie - sagen wir mal - nur nebenberuflich machen?
Johanna Wanka: Im Moment ist viel Bewegung im Wissenschafts- und Bildungsbereich. Das hat zur Folge, dass auch innerhalb der Kultusministerkonferenz zahlreiche neue Ansätze diskutiert werden. Mein Eindruck ist, dass es der KMK in den letzten Jahren wesentlich besser gelungen ist, auch in strittigen Fragen konsensfähig zu werden. Im Jahr 2005 steht eine Reihe wichtiger Themen an - zum Beispiel die Einführungsmöglichkeit von Studiengebühren oder die Exzellenzinitiative. In dieser Situation ist die Rolle der Kultusministerkonferenz außerordentlich wichtig. Und es ist für mich eine besondere Herausforderung bei diesen Entwicklungen mitwirken zu können.
Das Parlament: Was haben Sie als Präsidentin denn bisher erreicht?
Johanna Wanka: Die Präsidentin ist Sprecherin des Gremiums. Alle Mitglieder der Kultusministerkonferenz können sich - im Rückblick auf das erste Vierteljahr - auf ihre Fahnen schreiben, dass sie die Umsetzung des Reformkonzeptes geschafft haben. Innerhalb kürzester Zeit hat die KMK mit den Einsparvorhaben und mit der Veränderung der Gremien begonnen. Die KMK hat auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Studiengebühren reagiert und hat sich trotz unterschiedlicher Positionen der Länder - einige wollen Gebühren einführen, andere nicht - verständigt. Wir haben uns vorgenommen über die Möglichkeiten zu beraten, trotz Studiengebühren Mobilität und Chancengleichheit für die Studierenden zu wahren. Die Selbstorganisation der Länder ist dazu in der Lage, ohne dass eine Bundeskompetenz in diesem Punkt benötigt wird.
Das Parlament: Sie sind nur ein Jahr Präsidentin. Ist das Prinzip der jährlichen Präsidentenrotation nicht ein Hemmschuh für eine kontinuierliche Politik?
Johanna Wanka: In den Reformgesprächen haben wir lange über diesen Punkt diskutiert. Es gab Vorschläge, den Zeitraum der Präsidentschaft zu verlängern. Auch über die Rolle des Präsidenten beziehungsweise der Präsidentin wurde beraten. Soll sie beziehungsweise er ein stärkeres Gegengewicht zur Bundesministerin bilden, eine größere politische Funktion einnehmen? Oder soll es - wie bisher - bei der zeitlich befristeten Sprecherfunktion bleiben? Schließlich haben wir uns einvernehmlich für letzteres entschieden, wohl wissend, dass beide Varianten Vor- und Nachteile besitzen. Kontinuität innerhalb der Kultusministerkonferenz ist jedoch auch durch die Zusammensetzung des Präsidiums gewährleistet. Bevor ein Minister oder eine Ministerin Präsident wird, ist er beziehungsweise sie bereits Mitglied des Präsidiums der KMK. Nach Ablauf der Präsidentschaft ist man noch ein weiteres Jahr im Präsidium vertreten. Daher steht das Kollegialorgan Präsidium für eine kontinuierliche Politik innerhalb der KMK. Seine Arbeitsfähigkeit wurde zudem weiter gestärkt.
Das Parlament: Sind Sie im Plan, was die neue Organisationsstruktur und die Personaleinsparungen betrifft?
Johanna Wanka Die neu geordneten Abstimmungsprozesse, die sich aufgrund der nun verringerten Anzahl an Gremien und Arbeitsgruppen ergeben, müssen sich einspielen. Die komplette Umsetzung der Personaleinsparungen ist allerdings ein längerer Prozess. Dabei reichen ein paar Monate nicht aus.
Das Parlament: Wie kann denn die Abstimmung der Länder in der Bildungspolitik noch stärker verbessert werden?
Johanna Wanka: In der Bildungspolitik hat sich sehr viel bewegt. Innerhalb kürzester Zeit ist es uns in der KMK gelungen, Bildungsstandards zu entwickeln. Diese Bildungsstandards erfordern eine intensive Abstimmung mit vielen Beteiligten, mit Gewerkschaften, mit Lehrer- und Schülerorganisationen. Bei den Good-Practice-Beispielen verschiedener Bundesländer aus zentralen Arbeitsbereichen, die nach PISA entstanden sind und die für gemeinsame Vorhaben dienen sollen, müssen wir herausfinden, welche Standards wie effektiv sind. Dies ist meines Erachtens ein vernünftiger Schritt, sich gegenseitig schnell zu informieren und die Vorreiterrolle eines anderes Bundeslandes zu akzeptieren.
Das Parlament: Ist die KMK überhaupt noch ein zeitgemäßes Organ, um Schul- und Bildungsreformen schnell umzusetzen?
Johanna Wanka: Ich halte ein wettbewerbsfähiges System immer noch für das Beste, um Spitzenleistungen zu erreichen. Deshalb befürwortet die KMK das föderale System. Allerdings muss man innerhalb dieses Systems Schwachstellen wie zum Beispiel Mobilitätshindernisse beseitigen. Vor Jahren hat sich die Kultusministerkonferenz mit Entscheidungen sehr schwer getan. Damals gab es berechtigte Kritik. Seit dem Jahr 2000 bin ich Mitglied der KMK. Während der Zeit konnte ich beobachten, dass sich in diesem Gremium sehr viel geändert hat und Entscheidungen schneller getroffen werden.
Das Parlament: Die KMK muss sich auch sputen, um die Lehrerausbildung zu modernisieren. Was sollen die im Dezember 2004 beschlossenen Standards für die Lehrerausbildung bewirken?
Johanna Wanka: Die Standards für die Lehrerausbildung formulieren Kompetenzen, die ein Lehramtsabsolvent in den Bildungswissenschaften erlangen muss, Kompetenzen, die direkt mit Erziehungsprozessen verbunden sind. Diese Standards für die Lehrerbildung werden von allen Ländern mit Beginn des Ausbildungsjahres 2005/2006 als Grundlage für die spezifischen Anforderungen an die Lehramtsstudiengänge einschließlich der praktischen Anteile implementiert, übernommen und angewandt.
Das Parlament: In der Diskussion um die Einheitsschule oder das gegliederte Schulsystem prallen weiterhin konträre Positionen aufeinander. Wohin geht Ihrer Ansicht nach die Reise auf der bundesrepublikanischen Landkarte, damit Menschen überall im Land gleiche Bildungschancen vorfinden?
Johanna Wanka: Die öffentliche Diskussion über das optimale Schulsystem wird seit PISA teilweise grob verkürzt geführt. Die Ergebnisse aus der PISA-Studie lassen zunächst nicht den Schluss zu, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Schulsystem und Kompetenzen gibt - dies hat ein wenig die ideologische Schärfe aus der Debatte genommen. Nach der Veröffentlichung der PISA E-Ergebnisse - die nationale Ergänzungsstudie - im Herbst werden wir sicher erneut ein intensives Aufflammen dieser Debatte erleben. Unabhängig davon, wie verschieden die Schulsysteme innerhalb der einzelnen Bundesländer sind, muss für die Schüler eine hohe Mobilität gewährleistet werden. Ein Schulwechsel von Bundesland zu Bundesland muss in Zukunft unproblematisch möglich sein - selbst bei unterschiedlichen Schulsystemen. Die Kritik der vergangenen Jahre war durchaus berechtigt, denn ein problemloser Wechsel war nicht immer gegeben. Das gleiche gilt auch für die Lehrerbildung.
Das Gespräch führte Ines Gollnick, freie Journalistin,
Bonn.