Wer als Antwort auf PISA und andere Bildungsstudien auf die Einheitsschule setzt, der greift nicht nur tief in die ideologische Mottenkiste, sondern betrachtet Bildung auch aus einem gänzlich falschen Blickwinkel. Bei der Qualitätsverbesserung unseres Bildungswesens dürfen Organisationsfragen nicht im Vordergrund stehen. Es geht um die persönliche und berufliche Entwicklung junger Menschen und darum, jeden einzelnen bestmöglich auszubilden.
Schule muss vom Kind her gedacht werden. Nicht alle Kinder können auf dem gleichen Weg zum gleichen Ziel gelangen. Sie haben verschiedene Begabungen, unterschiedliche Stärken und Schwächen. Deshalb ist eine Differenzierung erforderlich. Die individuelle Förderung jedes Kindes ist nur über ein vielfältiges schulisches Angebot möglich, das alle zu ihren jeweils besten Leistungen führt.
Wer glaubt, die Strukturfrage sei das Allheilmittel, scheint mir zu faul, die tatsächlichen Herausforderungen - guter Unterricht, gute Lehrerbildung, frühe Bildung - anzunehmen. Daher fördern wir in Hessen Begabte ebenso wie schwache Schüler, entwickeln neue Bildungskonzepte für den Übergang vom Kindergarten zur Schule, machen fortlaufend Lernstandsermittlung in allen Schulformen und reformieren die Lehrerbildung, indem wir sie praxisnäher auf die Schule ausrichten und den Lehrern mehr diagnostische und methodische Kompetenzen vermitteln.
Die Befürworter der Einheitsschule führen gerne die Ergebnisse von PISA als Argument gegen das geteilte Schulsystem an. Auch hier liegen sie völlig falsch: Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern lassen sich nicht mit Schulsystemen erklären. Schon die Auswertung der deutschen Schullandschaft zeigt, dass Länder wie Bayern und Baden-Württemberg mit einem klar gegliederten Schulwesen die besten Ergebnisse erzielen. International liegen Gesamtschulen im vorderen und hinteren Bereich.
Auch der oft zitierte Vergleich mit Finnland hinkt: Die finnische Schule ist wegen ihrer starken Binnendifferenzierung - Schülerinnen und Schüler werden nur nach Eignung für bestimmte Kurse zugelassen - nicht die viel beschworene Einheitsschule. Vorbildhaft ist in Finnland das Verhältnis zwischen Lehrern, Schülern und Eltern: Es ist geprägt von gegenseitiger Wertschätzung. Die Finnen bringen nicht allein die Bildung, sondern allen für die Bildung Verantwortlichen enormen Respekt entgegen. Der Lehrerberuf genießt in Finnland höchstes Ansehen.
Befürworter der Einheitsschule übergehen außerdem stillschweigend eine weitere Tatsache, die in vielen internationalen Studien festgestellt wurde: In homogenen Lerngruppen - auch dies ist übrigens sehr relativ - wird ein größerer Bildungserfolg erzielt.
Die PISA-Zahlen für Deutschland sprechen eine deutliche Sprache: Sie zeigen eindeutig die Überlegenheit von Gymnasien und Realschulen im Vergleich zu den Gesamtschulen. Die durchschnittliche Schulleistung eines Gesamtschülers rangiert nach PISA gerade einmal zwischen der eines Haupt- und eines Realschülers.
Die richtige Reaktion auf PISA ist, unsere Schulen dort zu reformieren, wo sie Schwächen aufweisen und unser differenziertes Schulsystem gezielt zu stärken. Dabei heißt der hessische Weg: mehr Selbstverantwortung für die Schulen. Die hessische Schule von morgen wird mehr Entscheidungsfreiheit bei organisatorischen, personellen und finanziellen Fragen haben. Sie erhält einen größeren Handlungsspielraum beim Erreichen von Zielvorgaben. Messlatte sind die von der Kultusministerkonferenz der Länder beschlossenen Bildungsstandards. Sie beschreiben, was die Schule zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht haben muss und sind so die unerlässliche Voraussetzung für Messungen, ob die Schule wirksam war. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass jene Länder, die nach früheren Schulvergleichsstudien der 80er-Jahre klare Standards definiert haben, seither erhebliche Fortschritte machen.
Mit Vergleichsarbeiten und zentral gestellten Abschlussprüfungen für die hessischen Schülerinnen und Schüler in allen Bildungsgängen werden wir zeigen, dass wir die Bildungsstandards erfüllen. Jede Schule muss sich für sich bewähren. Basis für die Qualitätsverbesserung in unserem Schulwesen ist eine neue Kultur der Anstrengung und Leistung. Hessen ist auf dem besten Weg, diese neue Kultur zu etablieren.
Die Autorin und CDU-Politikerin ist Kultusministerin des Landes
Hessen.