Um 120.000 ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den vergangenen zehn Jahren in Mecklenburg-Vorpommern gesunken. Das Bildungsministerium unter Professor Hans-Robert Metelmann stellt hierzu nüchtern fest: "Tendenz weiter fallend." Die demographische Entwicklung führt in den neuen Bundesländern dazu, dass kaum ein Bereich der Landespolitik so dem Wandel unterworfen ist wie der der Schule. Vor allem im ländlichen Raum spielt der Erhalt von Schulen eine zentrale Rolle - unabhängig von der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierungen.
Denn die nach wie vor anhaltende Westwanderung vor allem junger Menschen und die niedrige Geburtenraten verursachen immer weitere Schulwege. Schulschließungen, die bei den Eltern auf erbitterten Widerstand stoßen, sind dennoch nicht zu vermeiden. Und der Ruf nach Gemeinschaftsschulen wird immer lauter, um so wenigstens eine leistungsfähige Schulbildung aufrecht zu erhalten.
So will Sachsens Kultusminister Steffen Flath den Schülerrückgang für eine "deutlich bessere" Personalausstattung an den Schulen nutzen. Die Lehrer-Schüler-Relation an den Gymnasien soll sich von gegenwärtig 12,6 Schülern pro Lehrer im Schuljahr 2009/10 auf 10,9 oder in den Mittelschulen von 12,9 auf 11,9 Schüler verbessern. Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD konnten sich jedoch die Sozialdemokraten im vergangenen Jahr mit ihrem Wahlversprechen nicht durchsetzen, die Gemeinschaftsschule landesweit einzuführen. Immerhin soll es künftig unter Beibehaltung des bisherigen dreigliedrigen Schulsystems auch Gemeinschaftsschulen bis zum zehnten Schuljahr geben.
Vor allem Sozialdemokraten und Linkssozialisten sind es, die bei unterschiedlicher Differenzierung in den höheren Schuljahren in den neuen Bundesländern diese Schulform in unterschiedlicher Weise propagieren. Die Christdemokraten befürworten zwar nach wie vor die klassische Dreigliedrigkeit des Schulwesens. Doch immer mehr werden diese Grenzen zu Gunsten der Gemeinschaftsschule durchbrochen, weil vor allem in den ländlichen Gebieten diese Form auf Dauer die einzig praktikable zu sein scheint.
Sachsen-Anhalt hat beispielsweise die Schuljahrgänge fünf und sechs am Gymnasium wieder einführt. Umgekehrt führt das Land Brandenburg zum Schuljahr 2005/06 die Oberschule ein, die auf die sechsjährige Grundschule aufbaut und die bisherigen Haupt- und Realschulen zusammenführt. Bildungsminister Holger Rupprecht sieht in ihr "eine Chance, auf die Ergebnisse der PISA-Untersuchung mit neuen pädagogischen Rezepten zu reagieren". In Berlin wollen die Sozialdemokraten ebenfalls die zehnjährige Gemeinschaftsschule einführen. Allerdings ist dies zunächst nur eine vom SPD-Landesparteitag beschlossene Absichtserklärung. Ausschlaggebend für die Tendenz, die Jugendlichen möglichst lange in einer Schulform zusammenzuhalten, ist neben dem demographischen Aspekt vor allem das skandinavische Modell der Gemeinschaftsschule, das bei der PISA-Studie besonders gut abgeschnitten hat.
Allerdings wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es den ostdeutschen Ländern aufgrund der leeren Landeskassen überhaupt nicht möglich ist, solche Schulen personell und finanziell so gut auszustatten wie dies die skandinavischen Länder tun. Und nicht zuletzt die bessere Ausstattung sei es, die vor allem zum PISA-Erfolg beigetragen habe.
Mecklenburg-Vorpommern hat die "Gute Schule für alle" zum Leitbild seiner Schulpolitik erhoben, die Chancengleichheit in der Bildung ermöglichen soll. Als Zielorientierung gelten in den "Zwölf Leitsätzen zur Schulentwicklungsplanung" - "Große, lebendige, langfristig bestandsfähige und leistungsstarke Schulen". Große Schulen mit vielen Parallelklassen bieten aus der Sicht der SPD/PDS-Landesregierung nicht nur die Gewähr für viele Lehrer, sondern auch für Differenzierung und Förderung. Für die Städte werden größere Einzelschulen, Schulzentren und Gesamtschulen propagiert, die auch die Schüler des Umlandes aufnehmen sollen. Für Kleinstädte sind vor allem Schulzentren und für das Land auch durchaus noch Kleinschulen vorgesehen.
Sachsen-Anhalt bekennt sich auch weiterhin zur vierklassigen Grundschule, auf die einerseits die Sekundarschule und andererseits das Gymnasium aufbauen. Das Abitur wird in diesem Land wie auch in Berlin nun wieder nach der zwölften Klasse abgelegt. Gleichzeitig gibt es eine Tendenz zur früheren Einschulung. Berlin hat die Schulpflicht vom bislang sechsten Lebensjahr um ein halbes Jahr vorgezogen. In Sachsen wird diese Möglichkeit geprüft. Außerdem führt Sachsen das letzte Kindergartenjahr als Schulvorbereitungsjahr ein. Ähnliches gilt auch für Berlin, wobei vor dem Hintergrund der vielen Kinder aus sozial schwachen und ausländischen Familien ein besonderer Sprachunterricht angeboten werden muss.
In Thüringen hat Kultusminister Jens Goebel das Programm "Bildung und Betreuung von zwei bis 16" gestartet, das eine verbesserte Vorschulerziehung und eine verlässlichere Unterrichtszeit plus anschließender Betreuung vorsieht, um hier den berufstätigen Familien mehr als bislang entgegenzukommen. Immer mehr setzt sich auch in den ostdeutschen Ländern die Forderung nach mehr Eigenverantwortung der Schulen durch. Auch für Goebel ist die "Eigenverantwortliche Schule" das "wichtigste schulpolitische Thema".
Einig sind sich die Kultusminister in den ostdeutschen Ländern auch in der Frage, dass die Schule "nicht nur Wissen, sondern auch Werte" vermitteln muss, so beispielsweise der für die Schulen in Sachsen-Anhalt zuständige Minister Jan-Henrik Olbertz. Während man beispielsweise in Thüringen keine Probleme mit dem im Grundgesetz für alle allgemeinbildenden Schulen verankerten Religionsunterricht hat, hat Brandenburg das Unterrichtsfach Lebenskunde, Ethik, Religion (LER) eingeführt - allerdings auf Druck des Bundesverfassungsgerichts eine Abmeldung zugunsten des konfessionellen Religionsunterrichts ermöglicht. In Berlin soll nach dem Willen von SPD und PDS Wertekunde als Pflichtfach eingeführt werden. Eine Abwahl soll nicht möglicht sein, Religion aber weiter als freiwilliges Fach angeboten werden.