Arbeit und Soziales. Der Bundestag hat die Übergangsregelung im Arbeitszeitgesetz, die Ende 2005 auslaufen sollte, um ein Jahr bis Ende 2006 verlängert. Damit wird den Tarifparteien Gelegenheit gegeben, ihre Tarifverträge, die den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes und des Arbeitszeitgesetzes nicht genügen, anzupassen. Es geht dabei um die Anerkennung von Bereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeit. Das Parlament nahm ein von CDU/CSU und SPD eingebrachtes Gesetz, mit dem das Dritte Buch Sozialgesetzbuch und andere Gesetze geändert werden ( 16/109), gegen das Votum der Opposition an. Das Plenum folgte dabei einer Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales ( 16/245).
Der Bundesrat hatte in seinem Entwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetztes ( 16/219) ebenfalls die Verlängerung der Übergangsregelung beantragt. Der Bundestag erklärte diese Vorlage mit dem obigen Gesetzesbeschluss für erledigt. Die Regierung hatte das Anliegen der Länderkammer als sachgerecht bezeichnet. Die Änderungen des Gesetzes hätten in der Praxis weitreichende Umstellungen der Arbeitszeitorganisation bei Bereitschaftsdiensten erforderlich gemacht. Nicht allen betroffenen Bereichen sei es bislang gelungen, die erforderlichen tariflichen Vereinbarungen zu treffen. Das Arbeitszeitgesetz war zum 1. Januar 2004 an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes angepasst worden. Danach müssen Bereitschaftsdienstzeiten im vollen Umfang als Arbeitszeit gewertet werden. Nach alter Rechtslage hatte nur die tatsächliche Inanspruchnahme während eines Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit gegolten, nicht dagegen die "inaktiven" Warte- und Ruhephasen.
Würde die Übergangsregelung nicht verlängert, so die Argumentation des Bundesrates, müssten ab 2006 die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes angewendet werden, wobei Abweichungen davon nur durch neue Tarifverträge möglich wären. Diese würden zwar flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen, aber wegen der zurzeit unumgänglichen vollen Bewertung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit einen "personellen und damit finanziellen Mehrbedarf" zur Folge haben. Die Einhaltung des Gesetzes würde in seiner derzeitigen Fassung Schichtmodelle erforderlich machen und damit einen erheblichen zusätzlichen Personalbedarf vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hervorrufen. Dieser könnte mangels finanzieller Mittel oder fehlendem Ärztenachwuchs nicht gedeckt werden, so die Länderkammer. Der Bundestag lehnte einen Änderungsantrag der Fraktion Die Linke ( 16/273) ab, die Übergangsregelung wegen Verstoßes gegen EU-Recht und im Interesse des Bereitschaftsdienst leistenden Krankenhauspersonals zu streichen. Bei der Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch geht es vor allem um Verlängerungen arbeitsmarktpolitischer Instrumente, die zum Jahresende 2005 ausgelaufen wären. So wird die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer um zwei Jahre bis Ende 2007 verlängert. Den Existenzgründungszuschuss für die Ich-AG gibt es noch bis 30. Juni 2006. Die Möglichkeit, die Weiterbildung beschäftigter Arbeitnehmer zu fördern, gibt es bis Ende 2006. Bis Ende 2007 gilt die so genannte 58er-Regelung, wonach über 58-jährige Arbeitslose dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen müssen, um Arbeitslosengeld zu erhalten. Die Pflicht, sich arbeitsuchend zu melden, wird mit dem Gesetz auf einheitlich drei Monate festgelegt. Die Agenturen für Arbeit werden von der Verpflichtung entbunden, mindestens eine Personal-Service-Agentur einzurichten. Von der Koalition eingebrachte Änderungen an ihrem eigenen Entwurf hatte der Arbeitsausschuss gebilligt.
Während die Union an die Tarifparteien appellierte, beim Arbeitzeitgesetz endlich zu vernünftigen Lösungen zu kommen, mahnte die SPD einen Mentalitätswechsel in den Unternehmen an, deren Jugendkult durch die gewollte Integration auch älterer Arbeitnehmer ersetzt werden müsse. Die FDP hielt die Verlängerung der 58er-Regelung für falsch, weil sie in Verbindung mit der ab Februar 2006 kürzeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I zu einer Entlassungswelle führen werde. Die Linke beklagte diese verkürzte Bezugsdauer. Die Bündnisgrünen hielten die Verlängerung der 58er-Regelung für ein "falsches Signal", weil sie zur Ausgrenzung älterer Arbeitnehmer führe.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hatte am 12. Dezember Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung zu den Gesetzesänderungen befragt, wobei die Arbeitszeiten in Krankenhäusern und die Verlängerung der 58er-Regelung einen breiten Raum einnahmen. Dabei wurde deutlich, dass die Vertreter der Krankenhausärzte und die sie beschäftigenden Kliniken in der Anerkennung von Bereitschaftsdienst als reguläre Arbeitszeit nach wie vor gespalten sind. Für den Ärzteverband Marburger Bund teilte Frank Ulrich Montgomery mit, dass es nur noch etwa in der Hälfte der Krankenhäuser zurzeit noch tarifkonforme Modelle gebe. Dagegen sah Georg Baum von der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Gefahr, dass bei Umsetzung der Richtlinie in deutschen Krankenhäusern die "Lichter ausgehen" würden.