Die von der Bundesregierung geplante Reform des Verfahrens in Familiensachen ( 16/6308) stößt auf breite Zustimmung. Vor allem die vorgesehene Einrichtung eines so genannten Großen Familiengerichtes mache Sinn, betonten fast alle Sachverständigen bei zwei öffentlichen Anhörungen des Rechtsausschusses am 11. und am 13. Februar. Das Familiengericht soll nach Vorstellung der Regierung zum Beispiel zuständig sein für Verfahren zur Pflegschaft für Minderjährige, der Adoption oder zum Schutz vor Gewalt, für die bislang das Vormundschaftsgericht oder das Zivilgericht zuständig sind.
Teilweise warnten die Experten aber auch, dass die Anforderungen an die Familiengerichte steigen würden. Mehr Personal und mehr Fortbildung müssten bereitgestellt werden. Sonst würde die Reform scheitern.
Ludwig Bergschneider, Rechtsanwalt aus München, begrüßte unter anderem die geplante Vorschrift zur Beschleunigung in Kindschaftssachen - einen Monat nach Eingang der Antragsschrift soll künftig das Verfahren beginnen.
Dieser Einschätzung konnte sich Susanne Nothhafft vom Deutschen Jugendinstitut aus München nicht anschließen: Verfahrensbeschleunigung sei kein Selbstzweck. Das Beschleunigungsgebot solle dem Kindeswohl dienen. Es müsse daher überprüft werden, ob der "beschleunigte" Verfahrensweg und die Stärkung des Elements der Einvernehmlichkeit in jedem Stadium des Verfahrens tatsächlich im Einzelfall "eine optimale Umsetzung des Kindeswohls" ermöglichen, so Nothhafft.
Die Präsidentin des Landgerichts Tübingen, Röse Häußermann, bescheinigte dem Entwurf, er bündle die Verfahrensvorschriften in den Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Familienrechts "sachgerecht und transparent". Mit dem vorgesehenen nahezu kompletten Rückzug des Staates aus der unmittelbaren Wahrnehmung seines Wächteramts mit Blick auf Pflege und Erziehung der Kinder war die Sachverständige jedoch nicht zufrieden. Sie nannte die vorgesehene Regelung "besorgniserregend, rechtssystematisch eher widersprüchlich und verfassungsrechtlich nicht unbedenklich".
Der vorliegende Entwurf führe zu einer verstärkten Gefährdung von Frauen, die sich aus einer Gewaltbeziehung befreit hätten. Davon seien auch Kinder betroffen, kritisierte Professor Sibylla Flügge von der Fachhochschule Frankfurt am Main. Er stehe damit im Gegensatz zu den Aktionsplänen gegen Gewalt gegen Frauen der Bundesregierung.
Massive Kritik übte Professor Bernhard Knittel, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München, an der vorgesehenen Neuregelung des Ins-tanzenzuges im Gesetzentwurf. Dieser nenne kein einziges überzeugendes Argument für die "Zerschlagung eines bewährten und bürgernahen Rechtszuges" - also Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht - in den klassischen Materien der so genannten freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Es werde somit zu einer "drastischen Verminderung des Rechtsschutzes" kommen. Dieses geschehe auch auf Gebieten, auf denen der Grundrechtsschutz eine Rolle spiele. Er nannte in diesem Zusammenhang als Beispiele Betreuung, Unterbringung und andere Freiheitsentziehungen. Deswegen werde der Schutz der Betroffenen "praktisch halbiert", sagte Professor Knittel.
Anders argumentierte Professor Florian Jacoby von der Juristischen Fakultät der Universität Bielefeld: Die "Straffung des Instanzenzuges" sehe er als "nicht so negativ" an. Und Professor Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, meinte, es sei "zu diskutieren", ob in allen Bereichen, die künftig dem Familiengericht zugewiesen werden sollen, derselbe Instanzenzug zu fordern sei oder ob die Oberlandesgerichte auch künftig die Aufgabe hätten, die Entscheidungen der Landgerichte zu überprüfen. Grundsätzlich zu begrüßen sei aber die Stärkung des Bundesgerichtshof in Fragen des Familienrechts.