birma
Der Zyklon hat das Land verwüstet. Trotzdem lässt das Regime ausländische Hilfe nur zögerlich zu
Leichen, Verletzte, zerstörte Häuser, kaum Trinkwasser, zu wenig Nahrung, fast keine Medikamente: Das Ausmaß der Katastrophe in Birma ist weder für die Betroffenen noch für Außenstehende fassbar. Seit der Zyklon "Nargis" vor einer Woche das Irrawaddy-Delta im Süden des Landes verwüstete, ist die Zahl der Opfer täglich gestiegen. Zuletzt war von mehr als 50.000 Toten die Rede. Laut den Vereinten Nationen sollen eine Million Menschen ihr Zuhause verloren haben.
Dabei ist es für die Menschen in Birma schon ein schreckliches Zeichen, dass sie überhaupt eine Naturkatastrophe heimgesucht hat. Insbesondere die Buddhisten, die 87 Prozent der Bevölkerung ausmachen, führen "Nargis" auf schlechtes Karma zurück. Ihrem Glauben zufolge treten solch gewaltige Naturereignisse auf, wenn die Herrscher Schuld auf sich geladen haben. Dies erscheint ihnen gegenwärtig umso überzeugender, als das Militär bei den Demonstrationen im vergangenen September Mönche verprügelt und angeblich sogar ermordet hat. Gewalt gegen Mönche zählt in der Gesellschaft zu den abscheulichsten Verbrechen. Darum hätte "Nagris" - nur wenige Tage vor dem Referendum über eine neue Verfassung - den Sturz der Herrscher angekündigt oder zumindest eingefordert.
Die Birma-Experten in Deutschland halten einen Sturz der Militärregierung allerdings für unwahrscheinlich. "Natürlich ärgern sich die Menschen, dass die Hilfslieferungen ausbleiben oder so lange brauchen. Das birgt durchaus Potenzial für Massenproteste. Allerdings müssten die erst mal angeschoben werden", sagt der Politologe Marco Bünte vom GIGA Institut für Asienstudien in Hamburg. Auch die Regionalwissenschaftlerin Uta Gärtner vom Südostasien-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin meint: "Ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass es zu Unruhen kommt. Die Leute haben momentan andere Sorgen." Darum sind die Experten überrascht, dass das Referendum wie geplant abgehalten und lediglich in den am stärksten betroffenen Bezirken um zwei Wochen verschoben wurde.
"Eigentlich sollte das Militär alle Hände voll zu tun haben, Hilfsgüter an die Bedürftigen zu verteilen", meint Bünte. Die Menschen merkten sehr wohl, dass das Militär stets schnell da war, Proteste niederzuschießen, und nun nicht komme. Dies könne sich durchaus auf das Ergebnis des Referendums auswirken, das voraussichtlich jedoch erst Ende Mai feststeht. Durch die Verfassung sollen im Jahr 2010 Parlamentswahlen ermöglicht werden. Allerdings möchte sich das Militär ein Viertel der Sitze im Parlament vorbehalten. Deshalb werfen ihm Oppositionelle vor, es wolle nur seine Herrschaft legitimieren. Die Junta rechtfertigt ihren Machtanspruch damit, dass sich die 48 Millionen Einwohner nur autoritär regieren ließen, da sie sich über 130 ethnische Gruppen und fast hundert Sprachen verteilen. "Das Militär glaubt, es sei die einzige Kraft, die ein Auseinanderbrechen des heterogenen Landes verhindern kann", erklärt Bünte. Und es werde alles tun, um seine Macht zu sichern.
Gleichwohl ist die Militärregierung durch den Zyklon stark unter Druck geraten. Und das, meinen die Experten, könnte dafür sorgen, dass das Regime noch repressiver wird. "In dem Maße, in dem sie sich bedroht fühlen, nehmen Restriktionen zu", erklärt Gärtner. Der Druck entsteht insbesondere dadurch, dass die Junta mit der aktuellen Situation völlig überfordert ist. Westliche Helfer werden nur zögerlich ins Land gelassen, weil die Junta ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Westen hat. "Sie nehmen ja Hilfe an, aber lieber von ihren Freunden in Asien", meint Gärtner.
Die Rolle des Auslands sehen die Myanmar-Kenner unterschiedlich. "Weder Sanktionen noch Dialoge haben bisher etwas gebracht", sagt Jürgen Rüland vom Politik-Seminar der Universität Freiburg. "Die Sanktionen haben zu einer Verhärtung der Fronten geführt", analysiert Gärtner. Wenn andere Länder mit der Regierung auf Augenhöhe verhandelten, statt sie zu beschimpfen, könne man leichter mit ihnen umgehen. Auch Bünte ist gegen Sanktionen: "Damit hat man sich immer nur diplomatische Optionen genommen. Außerdem schadet man damit den Menschen." Am meisten Erfolg verspricht aus seiner Sicht die Strategie "Wandel durch Handel".
Einig sind sich die Wissenschaftler darin, dass ein Umschwung nur von innen kommen kann. Innerhalb des Militärs gebe es durchaus verschiedene Ansichten. "Bislang aber hat das Militär es immer geschafft, Widerstand rechtzeitig unter Kontrolle zu bringen", sagt Rüland.
Trotzdem könnte das "Omen von Nagris" wahr werden, wenn beispielsweise jetzt auch noch Staatsführer Than Shwe stirbt. Der 75-Jährige, der selbst abergläubisch sein soll und regelmäßig Astrologen konsultiert, hatte bereits 1996 einen Schlaganfall. Statt das Nirwana zu erreichen, glauben viele Buddhisten, werde er wegen der Menschenrechtsverletzungen, die er auf dem Gewissen habe, aber eher als Tier, Hungergeist oder gar Höllenwesen wiedergeboren.