MIGRATIONSBERICHT
Die Zuwanderung nach Deutschland ist weiter rückläufig
Es könnte recht übersichtlich werden in Deutschland im Jahr 2050. Von derzeit 82 Millionen wird die Bevölkerungszahl auf 74 Millionen zurück gehen, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. Doch nicht nur das: Es wird auch weniger Kinder und noch mehr ältere Menschen geben - auf jedes Neugeborene kommen zwei 60-Jährige. Keine guten Nachrichten für Arbeitsmarkt und Rente. Grundlage der Statistiker - um überhaupt auf 74 Millionen zu kommen - ist zudem ein positiver Zuwanderungssaldo von 200.000 Menschen. Im Jahr 2006 lag dieser Saldo jedoch nur bei knapp 23.000, wie aus dem Migrationsbericht 2006 ( 16/7705) hervorgeht. Das wiederum liegt zum einen an der hohen Zahl der Abwanderungen - allein 155.000 Deutsche haben das Land 2006 verlassen, das waren 37.000 mehr als im Jahr 2002. Es liegt aber ebenso an der auch im Jahr 2006 rückläufigen Zahl der Zuwanderer nach Deutschland.
In der Debatte des Bundestages zum Migrationsbericht 2006 herrschte angesichts dieser Zahlen in einer Frage Einigkeit unter den Redner: Deutschland braucht Zuwanderung! Doch wie dies zu regeln ist und wer genau zuwandern soll bleibt umstritten.
Deutschland müsse bereit für die Zuwanderung sein, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Das gelte jedoch gleichermaßen auch für die Zuwanderer. Wolle man eine dauerhafte Perspektive in einem Land haben, sei Integration notwendig. Die dabei vorhandenen Defizite, so Schäuble, seien nicht durch die aktuelle Zuwanderung entstanden, sondern durch die zweite und dritte Generation der "vor Jahrzehnten" Zugewanderten. Wichtigster Beitrag des Bundes zum Abbau dieser Defizite seien die Integrationskurse, die mit jährlich 155 Millionen Euro gefördert würden. Schäuble: "Die Kurse sind eine Erfolg!" Von "Fehlern der Vergangenheit" bei der Integration sprach der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl. Zu lange habe man um die Frage gestritten, ob Deutschland nun ein Einwanderungsland sei oder nicht. Stattdessen hätte man sich frühzeitig um die Integration kümmern sollen.
Jetzt habe man häufig eben kein Mit- sondern ein Nebeneinander zu verzeichnen. Insbesondere in Großstädten gebe es viele Parallelgesellschaften. "In Berlin kann man leben wie in der Türkei", sagte Uhl. Das steigere nicht gerade die Motivation zur Integration. Die Große Koalition habe gut daran getan, die schon unter Rot-Grün entwickelten Integrationskurse nicht nur anzubieten, sondern einzufordern.
Die von Uhl angesprochenen Streitfrage der Vergangenheit beantwortete Gisela Piltz (FDP) klar und deutlich: "Deutschland ist ein Einwanderungsland!" Dies habe nicht zuletzt der vorliegende Bericht gezeigt. "Richtig" und "notwendig" sei nun eine Steuerung der Zuwanderung. Ebenso wie die Union wolle auch die FDP keine Parallelgesellschaften. Daher sei das Erlernen der deutschen Sprache so wichtig. Piltz: "Sprache ist der Schlüssel zur Integration."
In dieser Einschätzung herrschte ein weitgehender Konsens unter den Parlamentarien. Lediglich Sevim Dagdelen (Die Linke) wandte ein, wer, statt sich um strukturelle Gleichstellung zu bemühen, immer wieder nur die deutsche Sprach in den Vordergrund stellt, schaffe so einen neuen Ausgrenzungsgrund. Die Politik der Bundesregierung sei "weit entfernt von den Fakten des Berichts", kritisierte Dagdelen. Obwohl die Einbürgerungszahlen von 143.000 im Jahr 1999 auf 125.000 im Jahr 2006 gesunken seien, würden weitere Hürden aufgebaut. Die Linksfraktion fordere daher eine radikale Erleichterung der Einbürgerung. Kritik äußerte sie auch zur derzeitigen Asylanerkennungspraxis. Trotz eines "historischen Tiefstandes" bei den Antragszahlen werde die Anerkennungspraxis "repressiv" gehandhabt.
Die gesunkene Zahl der Flüchtlinge nach Deutschland thematisierte auch Rüdiger Veit (SPD). Nur noch gut 20.000 Asylanträge habe es im Jahr 2006 gegeben. "Die Hauptlast tragen derzeit die Mittelmeerländer", sagte Veit. Oft würde dort mit Asylantragstellern "nicht gerade vorbildlich" verfahren. Mit Blick auf die sinkenden Bevölkerungszaheln in Deutschland befand Veit, die Abschottungstendezen seien nicht aufrechtzuerhalten.
Der SPD-Innenpolitiker plädierte für die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft, da ohnehin über 50 Prozent der Eingebürgerten die alte Staatsbürgerschaft behalten würden. Innenminister Schäuble hatte hingegen zuvor noch darauf verwiesen, dass es richtig gewesen sei, die doppelte Staatsbürgerschaft "als Normalfall" zu verhindern.
Der Migrationsbericht sei ein interessantes Zahlenwerk, konstatierte der Grünen-Politiker Josef Winkler, doch fehle seiner Ansicht nach die richtige Schlussfolgerung seitens der Koalition. Diese muss seiner Ansicht nach lauten: "Eine Regulation der Zuwanderung wird benötigt!" Sinnvoll dabei sei das von den Grünen vorgeschlagene Punktesystem. "Wir brauchen die besten der Besten", sagte Winkler. Die Politik der Bundesregierung sei "integrationsverhindernd". Es könne nicht sein, dass als Folge der Regelungen zum Spracherwerb beim Ehepartnernachzug ein fließend Deutsch sprechenden Ausländer mit dem Hinweis, er könne keinen Sprachnachweis des Goetheinstitutes vorlegen, abgewiesen wird.
Es werde kein Punktesystem benötigt, sondern mehr Flexibilität bei den Arbeitsagenturen, sagte der CDU-Innenpolitiker Reinhard Grindel. Er plädierte außerdem dafür, die "Ressourcen der Menschen im Land nicht zu vergeuden". Durch verbesserte Nachqualifizierungen und weitergehende Anerkennung von im Herkunftsland erlangten Abschlüssen könnten viele Höherqualifizierte angemessen in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden. "Taxifahrer haben wir genug", so Grindel. Der CDU-Politiker verteidigte auch die im neuen Zuwanderungsrecht enthaltenen Regelungen zum Familiennachzug. Zum einen habe man damit das Signal senden wollen: Ohne deutsche Sprache geht es nicht. Außerdem gehe es um die Bekämpfung von Zwangsheirat. Sprachkenntnisse verlange man deshalb schon vor der Übersiedlung, da die Ehemänner ihren Frauen in Deutschland den Besuch von Sprachkursen nicht erlauben würden. Er sehe in dem durchaus messbaren Rückgang der Ehegattennachzüge ein Anzeichen dafür, dass es weniger Zwangsehen gibt.