STASI-MITARBEIT
Koalition, Grüne und FDP fordern Rücktritt - Gysi weist Vorwürfe zurück
Der 28. Mai 2008 war sichtbar kein leichter Tag für den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi. In einer von den Koalitionsfraktionen beantragten Aktuellen Stunde beschäftigten sich die Parlamentarier mit Gysis angeblichen Zuarbeit für die Staatssicherheit. Vertreter aller Fraktionen kritisierten Gysi scharf. Sie forderten den Juristen, der einer der wenigen hochrangigen Rechtsanwälte in der DDR gewesen war, auf, sich seiner Vergangenheit zu stellen, seine für den Bundestag als erwiesen geltende Zusammenarbeit mit der Stasi "endlich" zuzugeben und von allen politischen Ämtern zurückzutreten.
Anlass für die Debatte waren Aussagen der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit, Marianne Birthler, vom 26. Mai gewesen. Nach Lage der Akten, so Birthler, müsse man davon ausgehen, dass Gregor Gysi "wissentlich und willentlich" für den Überwachungsapparat der Staatssicherheit gearbeitet habe. Gysi hatte daraufhin juristische Schritte gegen Fernsehsender und Zeitungen eingeleitet, die die Aussagen Birthlers verbreitet hatten. Der Ausschuss für Immunität und Geschäftsordnung des Bundestages hat am 29. Mai ebenfalls über den Fall Gysi beraten und beschlossen, Marianne Birthler am 5. Juni zu hören, um sich direkt die neue Aktenlage erläutern zu lassen. Thomas Strobel (CDU/CSU), der Vorsitzende des Ausschusses, verwies in der Aktuellen Stunde darauf, dass der Bundestag die Zusammenarbeit zwischen Gregor Gysi und der Staatssicherheit bereits seit einem Überprüfungsverfahren 1998 als erwiesen ansieht.
Christoph Waitz (FDP) kritisierte am 28. Mai denn auch: Gregor Gysi gebe, wenn überhaupt, nur das zu, was schon bekannt sei. "Machen Sie Schluss mit dem Versteckspiel", forderte er Gysi auf. Als "unerträglich" bezeichnete der SPD-Abgeordnete Stephan Hilsberg, dass Gysi und "seine Leute" immer wieder versuchten zu lügen und zu betrügen. Gysis Argumente, die vertraulichen Informationen aus Gesprächen mit seinen Mandanten, darunter den beiden Regimekritikern Robert Havemann und Thomas Erwin, die er an die Staatssicherheit weitergegeben haben soll, stammten möglicherweise aus geheimen Abhörungen, bezeichnete Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) als "nicht glaubhaft". Stephan Mayer (CDU/CSU) bezeichnete das Verhalten Gysis und seiner Fraktion in der Aktuellen Stunde, die Gysi nach Abschluss dessen abgelesener Rede stehend beklatschten, als "Verhöhnung der Opfer".
Gysi selbst bezeichnete die Aktuelle Stunde als "trauriges Schauspiel", das die enge Zusammenarbeit der Beauftragten für die Stasiunterlagen mit "gegnerischen und konkurrierenden Parteien der Linken" zeige. Er sagte in Richtung seiner Kritiker: "Vom Leben eines Anwalts in der DDR haben Sie keine Ahnung." Durch seine Kontakte ins Zentralkomitee der SED habe er so viel für seine Mandanten getan, wie niemand sonst im Bundestag. Aufgrund dieser Kontakte zum höchsten Staatsgremium der DDR habe er eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit nicht nötig gehabt. Solche Kontakte "entsprachen weder meinem Stil noch meiner Würde", sagte Gysi.