Die LINKE
Die Partei sonnt sich auf ihrem ersten Konvent in ihrem aktuellen Erfolg - und will mehr
Oskar Lafontaine verschränkt die Hände hinter seinem Rücken und wippt sacht auf den Fußspitzen. "Es entspricht den allgemeinen Gepflogenheiten, dass man das Gespräch sucht, wenn man Unterstützung haben möchte", sagt er. Ob SPD-Parteichef Kurt Beck persönlich um die Wahl der Hochschulprofessorin Gesine Schwan zur Bundespräsidentin werben muss, lässt der 64-Jährige lächelnd offen. Neben einem guten Dutzend Journalisten lauschen auch eine ganze Reihe Linksparlamentarier aufmerksam dem Fraktions- und gerade wiedergewählten Parteivorsitzenden. Zwei Tage nach dem ersten Parteitag der aus ostdeutscher PDS und westdeutscher WASG hervorgegangenen Partei Die Linke am 24. und 25. Mai in Cottbus erleben sie ihren Chef in bester Laune - die auch nicht von der Kunde getrübt wird, dass die mögliche Stasiverstrickung seines Mit-Fraktionschefs Gregor Gysi Thema einer Aktuellen Stunde im Bundestag werden soll. Damit wolle die Koalition bloß von ihrem "jämmerlichen Zustand" ablenken, so Lafontaine.
Keine Frage, es läuft derzeit vieles rund für Die Linke. Im Osten ist sie eine 30-Prozent-Partei, inzwischen sitzt sie in vier westdeutschen Landesparlamenten, selbst in die dortigen Kommunalparlamente hält sie Einzug; jüngst mit landesweit knapp sieben Prozent in Schleswig-Holstein. In der aktuellen Forsa-Umfrage steigt Die Linke bundesweit um einen Punkt auf 14 Prozent, behauptet sich damit klar als dritte politische Kraft. Und jetzt bekommt sie mit der Kandidatur von Gesine Schwan vielleicht auch noch die Möglichkeit, bei der Bundespräsidentenwahl das Zünglein an der Waage zu sein. "Wir haben den Wind der Geschichte in unseren Segeln", rief Lafontaine in Cottbus aus und reklamierte neben dem Erbe von Marx, Liebknecht und Luxenburg gleich auch noch das von Willy Brandt für Die Linke - und die Delegierten jubelten.
Das Missfallen, das manche der so genannten Realos aus dem Osten am "chefigen" Führungsstil Lafontaines geäußert hatten, spiegelte sich auf dem Parteitag allenfalls im Wahlergebnis für den ehemaligen SPD-Vorsitzenden: 78,5 Prozent erzielte er, fast zehn Prozent weniger als auf dem Gründungsparteitag im Juli 2007.
Nahezu geräuschlos brachte die Partei ihren Leitantrag über die Bühne. Zoff über Inhalte? Weitgehend Fehlanzeige. Undiskutiert etwa die Frage, wie das beschlossene Investitionsprogramm mit jährlichen Kosten von 50 Milliarden Euro zu finanzieren sei.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Maurer, freut sich über so viel Harmonie. "Im Vorfeld gab es in den Medien und beim politischen Gegner ungeheure Erwartungen, dass wir uns zerlegen sollten. Da wir das nicht getan haben, bin ich zufrieden", sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung und fügt hinzu: "Die Linke ist so vernünftig, dass sie die zahlreichen Dinge, in denen sie sich einig ist, nach vorne stellt." Die stellvertretende Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete Katja Kipping pflichtet ihm bei. Beim ersten gemeinsamen Parteitag sei es darum gegangen, "Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt zu stellen". Dies treffe etwa auf die beschlossene Rentenkampagne zu. Zum Standard solle diese Debattenkultur aber nicht werden. "Für künftige Parteitage ist zu überlegen, ob wir uns auf einzelne inhaltliche Streitfragen konzentrieren und diese dafür gründlicher ausdiskutieren", betont Kipping im Gespräch mit "Das Parlament".
Vorwürfe, das beschlossene Investitionsprogramm von 50 Milliarden Euro sei nicht zu finanzieren, weist Kipping zurück. Die Linke habe dazu ganz konkrete Vorschläge gemacht, etwa die Einführung einer Börsenumsatzsteuer. "Die gibt es beispielsweise auch in Großbritannien, ohne dass dort gleich der Sozialismus ausgebrochen wäre", sagt die Partei-Vize. Sie fügt hinzu, allein bei einem Spitzensteuersatz wie unter der Kohl-Regierung von mehr als 50 Prozent "hätte man schon jede Menge Mehreinnahmen".
Der Parteienforscher Jürgen Dittberner analysiert, der aktuelle Erfolg der Linkspartei speise sich vor allem aus dem "Unbehagen in der Bevölkerung" gegen die Reformpolitik der vergangenen Jahre und dem wachsenden Bedürfnis nach sozialer Sicherheit. Die Linke stelle die richtigen Fragen; dass sie dazu keine ausformulierten Lösungsvorschläge präsentiere, spiele zunächst keine Rolle, sagt der Professor. Für eine Oppositionspartei sei es nicht zwingend, für ihre Ideen immer gleich eine praktikable Umsetzung zu präsentieren. Solange sie nicht ernsthaft an der Regierung beteiligt sei, bestehe für Die Linke auch kein Druck, ihre vorhandenen Konflikte auszutragen. "Die Unterschiede in der Linkspartei werden um so deutlicher werden, je mehr Verantwortung sie bekommt. Und das wird passieren", unterstreicht Dittberner.
Selbst eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene schon im kommenden Jahr schließt der Politikwissenschaftler der Uni Potsdam nicht aus: Wenn SPD, Linke und Grüne Schwan als Bundespräsidentin durchsetzten, "kann das eine Dynamik entfalten, die man im Augenblick noch gar nicht voraussehen kann".
Der frühere Sozialdemokrat Maurer sagt mit Blick auf rot-rote Koalitionsgedankenspiele: "Mein Eindruck ist: Je stärker wir werden, desto stärker wächst die Angst der SPD vor unserer Regierungsbeteiligung." Klar sei aber, dass Die Linke Hunger auf weitere Wahlerfolge habe. "Wir orientieren uns sehr stark am Beispiel unserer niederländischen Schwesterpartei, die jetzt bei über 20 Prozent liegt. Das ist das Maß der Möglichkeiten", so Maurer.