untersuchungsausschuss
Wolfgang Schäuble sieht keinen Grund, an Zusagen der USA zu zweifeln
Sollte Condoleeza Rice je Kenntnis von dieser Sitzung des Untersuchungsausschusses erhalten, so dürfte sie hoch erfreut sein über die zahlreichen Vertrauensbekundungen, die ihr als US-Außenministerin entgegengebracht wurden. Es gebe "keinen Anlass, an der Zusicherung zu zweifeln", dass die USA die deutsche Souveränität und Rechtsprechung achten und insofern bei "Renditions" hiesigen Luftraum nicht nutzen werden: So betonte es mehrfach CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble, wie zuvor auch schon immer wieder Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm sowie der ehemalige BND-Chef und heutige Innen-Staatssekretär August Hanning. Derart kontern die Zeugen in stoischer Ruhe kritische Fragen mehrerer Abgeordneter. Deren Idee: Man könne doch durch Kontrollen sicherstellen, dass Deutschland von US-Geheimdiensten und vom US-Militär tatsächlich nicht in die Verschleppung Terrorverdächtiger und deren Transport in getarnten Flügen - kurz als "CIA-Flüge" tituliert - einbezogen wird. Der Abgeordnete Norman Paech von der Linkspartei monierte eine fragwürdige "Vertrauensseligkeit."
Rice hatte die erwähnte Zusicherung Ende 2005 gegenüber Frank-Walter Steinmeier abgegeben, nachdem der SPD-Außenminister in Washington interveniert hatte. In jenem Jahr hatte sich der Verdacht erhärtet, dass 2003 der von CIA-Agenten in Mailand gekidnappte Ägypter Abu Omar über die US-Basis Ramstein nach Kairo geschafft worden war. Der vom Ausschuss zu den Renditions als Sonderermittler eingesetzte Ex-Datenschutzbeauftragte Joachim Jacob hat diesen Fall bestätigt und war zudem auf einen Transport zweier Terrorverdächtiger von Schweden nach Ägypten durch deutschen Luftraum gestoßen. Allerdings hatte Jacob betont, dass weitere CIA-Flüge auch unter Einbeziehung der Bundesrepublik nicht ausgeschlossen werden können, da er sich nur auf ein sehr begrenztes Datenmaterial habe stützen können. Weltweit wird die Zahl der Renditions auf mehrere hundert geschätzt. SPD-Justizministerin Brigitte Zypries verurteilte vor dem Ausschuss diese "willkürliche Freiheitsberaubung". Über die Methoden beim Antiterror-Kampf herrsche zwischen Deutschland und den USA nicht immer Übereinstimmung, so Zypries. Auch Schäuble sagte, die Rechtsordnung müsse beachtet werden.
Oppositionsabgeordnete fragten hartnäckig, warum der Verfassungsschutz im Fall Abu Omar keine Aufklärung betrieben habe, obwohl die deutsche Souveränität verletzt worden sei. Schäuble verwies darauf, dass die Staatsanwaltschaft Zweibrücken 2005 ein Verfahren eingeleitet habe - das aber ergebnislos eingestellt wurde, da die Ermittler in Ramstein nicht weitergekommen waren. Wegen der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft und der Intervention der deutschen Regierung in Washington habe es "keinen Raum für eigene Aktivitäten des Verfassungsschutzes" gegeben, sagte Fromm. Schäuble proklamierte etwas Grundsätzliches: Gegen Partnerdienste setze man nun mal "keine nachrichtendienstlichen Mittel" ein. Diese "rote Linie" dürfe nicht überschritten werden, warnt Hanning. Für die schleppende Aufklärung von CIA-Flügen machte Zypries die unzureichende Kooperation Washingtons verantwortlich.
Bleibt es also beim Vertrauen in die USA? Das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen. Max Stadler interpretierte die Aussagen von Zypries dahingehend, dass die Ministerin offenbar mögliche Konsequenzen bei dem in Stuttgart ansässigen US-Hauptquartier (Eucom) prüfen wolle: Der FDP-Politiker mahnte im Ausschuss Aufklärung über Eucom an, das sich auch um die Koordinierung von Gefangenentransporten kümmere. Dieses Thema berührt komplizierte Aspekte des Nato-Truppenstatuts.
Bei Fragen nach stichprobenartigen Kontrollen von US-Flügen in der Bundesrepublik, für die auch Jacob plädierte, spielte Schäuble geschickt den Ball an den Ausschuss zurück: Die Regierung wolle abwarten, welche Vorschläge das Gremium unterbreiten werde, er sehe dessen Abschlussbericht "mit parlamentarischem Respekt" entgegen. Hanning sagte, Überprüfungen von Lufttransporten oblägen der dem Verkehrsministerium unterstehenden Flugkontrolle.
Auf eine Frage des CSU-Abgeordneten Thomas Silberhorn sagte Hanning, hiesige Sicherheitsbehörden hätten von US-Stellen "summarische Ergebnisse" von Verhören gefangener Terrorverdächtiger erhalten, deren Aufenthaltsorte nicht bekannt gewesen seien. Ein heikler Punkt: Bei der Opposition hegt man den Verdacht, dass deutsche Behörden von Praktiken bei der Bekämpfung des Terrorismus profitiert haben könnten, die hierzulande verboten sind.
FDP, Linkspartei, Grüne und Unions-Parlamentarier führten wie schon bei früheren Sitzungen Medienberichte über dubiose US-Gefangenentransporte aus dem Jahr 2002 an: Aufgrund solcher Artikel hätte die Regierung frühzeitig und nicht erst, wie stets behauptet, seit 2005 von den Renditions wissen müssen. Zypries erklärte, bis Mai 2006 hätten neben Presseberichten und Verdachtsmomenten keine gesicherten Erkenntnisse über die Nutzung deutschen Luftraums für CIA-Flüge vorgelegen. Hanning sagte, in Einzelfällen seien "Verbringungen" bekannt gewesen. Erst Anfang 2005 sei man aber auf Renditions im Sinne einer "systematischen Praxis" aufmerksam geworden.
Schäuble wehrte Fragen dieser Art von vornherein ab: Er werde sich nur auf der Basis des Kenntnisstands äußern, den er bei seinem Amtsantritt im November 2005 vorgefunden habe. So vermied der CDU-Minister geschickt die delikate Situation, eventuell etwas zu sagen, was kritisch für SPD-Ressortkollegen werden könnte.