Die privaten Krankenkassen wehren sich vehement gegen die Möglichkeit für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), Wahltarife anzubieten. Insbesondere die Tarife mit Kostenerstattung stellten eine starke Wettbewerbsverzerrung dar, betonte der Leiter des Wissenschaftlichen Instituts des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV), Christian Weber, am 25. Juni in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses. Dagegen begrüßten die Spitzenverbände der GKV die mit der Gesundheitsreform eingeführte neue Tarifmöglichkeit als wirksames Instrument, um beispielsweise Mitglieder oberhalb der Versicherungspflichtgrenze in der GKV zu halten.
Weber sagte, die gesetzlichen Kassen unterlägen nicht der Steuerpflicht und müssten auch keine Altersrückstellungen aufbauen. Daher könnten sie für jüngere Mitglieder sehr günstige Tarife anbieten.
Der Anhörung lag ein Antrag der FDP-Fraktion ( 16/6794) zugrunde, die die Wahltarife mit Kostenerstattung streichen will. Bei diesen erhält der Versicherte nach einer Behandlung wie ein Privatpatient eine Rechnung, die er zunächst aus eigener Tasche bezahlt und anschließend bei seiner Kasse einreicht. Dadurch kann sich der Versicherte unter Umständen Zugang etwa zur Chefarztbehandlung oder den Anspruch auf ein Zweibettzimmer im Krankenhaus sichern.
Den Vorwurf der PKV von Quersubventionierungen zwischen dem Kostenerstattungstarif und dem Bereich der Pflichtversicherung wies der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, zurück. Gesetzliche und aufsichtsrechtliche Vorgaben sowie die gesonderte Buchung von Leistungsausgaben und Prämien schlössen Quersubventionierungen aus.
Der Berliner Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski warnte, mit der Möglichkeit zu Kostenerstattungstarifen stehe das gesamte System der GKV auf dem Prüfstand des europäischen Rechts. Bisher sei der Europäische Gerichtshof der Auffassung, die deutsche GKV sei nicht wirtschaftlich, sondern ausschließlich sozial und hoheitlich tätig. Diese Auffassung werde aber nicht mehr zu halten sein, wenn die GKV ihren Versicherten Zusatzversicherungen wie private Kassen anbiete. "Das gesamte System der deutschen GKV würde auf diese Weise ins Wanken und Rutschen geraten", hob der Professor hervor.