Roman
Yasmina Khadra über den Terrorismus im Irak
In Kafr Karam ist der Krieg weit entfernt. Ausgetragen wird er allenfalls in den Streitgesprächen zwischen den Ältesten des unscheinbaren Beduinendorfes irgendwo in der irakischen Wüste. Die einen fühlen sich befreit von den Amerikanern, unter Saddam sei der Irak "ein einziges Massengrab" gewesen. Die anderen halten dagegen: Saddam war "ein Monster, keine Frage, doch er war unser Monster, von unserem Fleisch und Blut und wir haben alle dazu beigetragen". Die Amerikaner seien nichts "als Barbaren und Bestien, die sich vor unseren Witwen und Waisen wie Batman aufführen". Doch abseits dieser Dispute ist es ruhig in Kafr Karam, der Heimat des jungen und namenlosen Ich-Erzählers in "Die Sirenen von Bagdad" aus der Feder von Yasmina Khadra.
Schon mehrfach hat sich der algerisch-französische Schriftsteller Mohammed Moulessehoul, der einst als Offizier der algerischen Armee die Vornamen seiner Frau als Pseudonym für sein literarisches Wirken wählte, auf die Spuren des Terrors und seiner Brutstätten begeben. Zuletzt hat er mit "Die Attentäterin" den israelisch-palästinensischen Konflikt meisterhaft aufgearbeitet.
Der Krieg kommt in Etappen nach Kafr Karam. Erst wird ein Junge an einem Checkpoint erschossen, dann eine Hochzeitgesellschaft im Nachbardorf bombardiert. Tragische Irrtümer, wie die Amerikaner beteuern, die sie mit Entschädigungszahlungen wieder gut machen wollen. Unter den Jugendlichen des Dorfes beginnt es zu gären. Schließlich stürmen US-Soldaten das Haus des Ich-Erzählers, sein Vater wird brutal aus dem Schlafzimmer gezerrt, mit entblößtem Unterleib liegt er vor seinem Sohn - für den jungen Beduinen eine Schande, die im Westen niemand "nicht einmal andeutungsweise erahnen" kann: "Das Glied meines Erzeugers zu sehen, bedeutet für mich, meine ganze Existenz, all meine Werte und Skrupel, meinen Stolz und meine Individualität herabsinken zu sehen auf ein primitives pornografisches Niveau." Der junge Iraker kehrt seinem Heimatdorf den Rücken, orientierungslos, voller Hass und Wut - ein ideales und williges Rekrutierungsopfer für fundamentalistische Terroristen.
Im Gegensatz zu seiner "Attentäterin" lässt Yasmina Khadra seinen Ich-Erzähler letztlich die scheinbar zwangsläufige Logik des Terrors doch noch durchbrechen. Dies wirkt wie ein Appell an die Selbstheilungskräfte in einem zerstörten Land, denn: "Der Westen ist längst aus dem Rennen. Er kommt nicht mehr nach. Er wird von den Ereignissen überrollt."
Die Sirenen von Bagdad. Roman.
Nagel & Kimche, München 2008; 315 S., 19,90 ¤