Autobiografie
Cornelie Sonntag-Wolgast über ihre Zeit in der deutschen Politik
Cornelie Sonntag-Wolgast hat zweifellos eine der besten Autobiografien von Abgeordneten vorgelegt, nicht nur inhaltlich sondern auch stilistisch. Letzteres dürfte ihrem vorher ausgeübten Beruf einer Journalistin geschuldet sein. Im Zeitalter der Berufspolitiker kann allein schon diese berufliche Reihenfolge für den politischen Nachwuchs Vorbildcharakter beanspruchen.
Die Autorin arbeitete nach der Promotion 1969 zunächst bei der "Hamburger Morgenpost", seit 1972 beim NDR und moderierte zeitweilig die WDR-Fernsehreihe "Aktuelle Stunde". Als SPD-Mitglied kandidierte sie erstmals 1987 für den Bundestag. Selbstzweifel an einer solchen zweiten "Berufung" scheinen sie keinen Augenblick geplagt zu haben. Vielmehr traute sie es sich zu, es genau so gut, "vielleicht sogar besser" machen zu können als die von ihr interviewten männlichen Zeitgenossen. Ihr Zielsetzung war klar: sie wollte von der kontrollierenden Funktion der Medien in die zur Kontrolle der Exekutive berufene Legislative überwechseln.
Aus ihren politischen und ethischen Grundeinstellungen macht sie kein Geheimnis. Das ganze Opus strahlt denn auch eine ebenso ungewöhnliche wie erfrischend unbefangene Ehrlichkeit aus. Das gilt nicht zuletzt für die immer wieder eingeblendeten Betrachtungen über ihre Familie in Freud und Leid.
Der erste Anlauf zu einem Bundestagsmandat blieb mangels eines gesicherten Listenplatzes zunächst erfolglos, wodurch sie psychologisch in ein "Loch" fiel, da sie ihre berufliche Position aufgegeben hatte. Die Göttin Fortuna kam ihr zu Hilfe als Heide Simonis in Schleswig-Holstein zur Finanzministerin berufen und somit ein Nachrückplatz auf der Landesliste frei wurde. In den folgenden drei Bundestagswahlen war Cornelie Sonntag-Wolgast auf dieser Liste abgesichert, konnte sogar zweimal den begehrten ersten Platz einnehmen und schließlich auch das Direktmandat erobern.
Unter Björn Engholm übte sie schon 1991 zusätzlich als erste Frau das Sprecheramt des Parteivorstandes aus. Schon nach ihrem Ausscheiden aus dieser Funktion nach Engholms Rücktritt 1993 fragte sie sich, ob sie nun im Bundestag "zurück ins Glied" gehen müsse. Doch ihr größter politischer Sprung stand noch bevor. Beim Regierungswechsel 1998 wurde sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Verantwortlich dafür war erneut eine Mischung aus gesundem Ehrgeiz, bewiesenem Sachverstand und Netzwerkverbindungen.
Nach der Wahl 2002 gab ihr dann ihr Minister und sicherlich nicht kongenialer Parteifreund Otto Schily den "Laufpass", wie sie schreibt. Dennoch schaffte sie es erneut, "oben" zu bleiben. Sie ließ sich zur Vorsitzenden des Innenausschusses wählen. Nicht ganz zu unrecht wurde dies von einem Fraktionsrivalen als Verstoß gegen parlamentarisches Gewohnheitsrecht ins Feld geführt, wonach ein aus einer Regierungsfunktion ausscheidender Abgeordneter nicht den Vorsitz jenes Bundestagsorgans übernehmen sollte, das sein früheres Ministerium zu kontrollieren hat.
An dieser Stelle zeigt sich eine der wenigen Schwächen der Autobiografie. Der Autorin ging es offensichtlich nicht so sehr um ein analytisches Ausleuchten des parlamentarischen Betriebes. Andere Beispiele wären die nur kurzen Anmerkungen zur oft mangelhaften Präsenz im Bundestagsplenum, zu dem durch die Fraktionsführungen kontrollierten Rederecht der Abgeordneten, zur Frage der Diäten oder auch zum Ausmaß des Abrackerns im Bundestagswahlkreis. Andererseits gewinnt der Leser aber auch wertvolle Einblicke in sonst nicht so authentisch Zugängliches über das Innenleben an der Spitze einer Bundespartei.
Insgesamt verdient dieser Erlebnisbericht großes Lob - leicht eingeschränkt eigentlich nur durch die abschließende Feststellung, dass der Titel des Ganzen eigentlich hätte lauten müssen: "Ich habe mir das gerne angetan."
Willst Du Dir das wirklich antun? Als Journalistin in der Politik.
Boyens Buchverlag, Heide 2008; 256 S., 19,90 ¤