Gesellschaft
Martin Lohmann streitet für die Familie - und für eine klare Orientierung an christlichen Werten
Freunde gepfefferter Streitschriften dürften an diesem Buch ihre wahre Freude haben. "Gigantischer Etikettenschwindel", "Diktat des Minimalkonsenses", "gesellschaftlicht diktierte Flickschusterei" und "Totalbetrug": Wenn es darum geht, die Familienpolitik in Deutschland an den Pranger zu stellen, dann scheint für den Journalisten Martin Lohmann keine Wortwahl zu hart. Er nennt es lapidar "Klartext". Immerhin - trotz des verbalen Feuerwerks ist Lohmanns Klartext auch deutlich zu lesen: Die derzeitige Familienpolitik verdient ihren Namen nicht, da es sich in Wirklichkeit um eine reine "Frauenerwerbsförderpolitik" handelt. Sprich, die Politik hat nicht das Wohl der Familie im Sinn - das der Kinder schon gar nicht -, sondern möchte Frauen möglichst schnell nach einer Geburt wieder an den außerhäuslichen Arbeitsplatz dirigieren. Zum Ausdruck komme diese Politik durch das neue Elterngeld, vor allem aber durch den massenhaften Ausbau von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige. Jene Mütter und Väter, die zum Wohl ihrer Kinder ihre berufliche Karriere zurückstellen, würden durch eine solche Politik benachteiligt.
Die Vorwürfe Lohmanns sind nicht aus der Luft gegriffen. Die Tasache, dass etwa die Höhe des Elterngeldes an das berufliche Einkommen gekoppelt ist, kann nicht als gerecht bezeichnet werden. Denn die erbrachte Leistung einer Mutter ist wohl kaum davon abhängig, ob sie Akademikerin, Fabrikarbeiterin oder nicht berufstätig ist.
Martin Lohmann hingegen setzt sich für eine Politik der Wahlfreiheit ein. Das Modell "Beruf und Kinder" müsse ebenso möglich sein wie das Modell "Kinder ohne Beruf". Und beide Lebensentwürfe müssten entsprechend gefördert werden. Ein gangbarer Weg wäre es, die Elternschaft als das anzuerkennen, was sie ist: eine Leistung, die entsprechend bezahlt werden muss. Vereinfacht ausgedrückt: Statt riesige Summen für die staatliche Betreung von Kindern auszugeben, sollte man das Geld lieber gleich an die Eltern auszahlen - etwa in Form eines Erziehungseinkommen. Dass solche Überlegungen keine "spinnerte Idee von romantisierenden Familienvisionären" sind, belegt er dann auch und stellt entsprechende Modelle vor.
Überhaupt ist Lohmanns Buch immer dann gut, wenn er sich an ganz konkreten Gegenmodellen zur aktuellen Politik orientiert. Doch sein Buch hat auch eine zweite Ebene und auf dieser begeht er dann selbst einen kleinen Etikettenschwindel. Es ist viel mehr als nur ein "Zwischenruf für mehr Bürgerfreiheit und das Ende der Bevormundung", wie es der Untertitel verheißt. Und es geht wahrlich nicht nur um Familienpolitik. Es ist auch ein flammendes Plädoyer für christliche Werte im Allgemeinen - genauer: für katholische Werte.
Lohmanns Eintreten für christliche Werte ist weder zu kritisieren noch verwunderlich: Lohmann ist bekennender Christ, studierte neben Geschichte, Philosophie und Erziehungswissenschaften auch katholische Theologie. Erstaunlich nur, dass weder der Titel, noch der Untertitel und auch nicht der Klappentext seines Buches das Wort "christlich" auch nur einmal nennt. Wie schreibt er in seinem Kapitel über die CDU und ihren "Schwindel mit dem hoh(l)en C"? "Wo ,C' draufsteht, muss auch ,C' drin sein." Umgekehrt ließe sich formulieren: "Wo ,C' drin ist, muss auch ,C' draufstehen."
Auf dieser zweiten Ebene lässt sich viel zwischen den Zeilen lesen. Etwa wenn er über die Unfähigkeit führender CDU-Politiker, "ihr Leben nach den christlichen Geboten zu gestalten", schreibt oder über die mehrfachen Scheidungen von Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Doch in der Diskussion über Familienpolitik ist dies so hilfreich wie der Hinweis auf die sieben Kinder der Familienministerin Ursula von der Leyen. Vor allem dann, wenn Lohmann selbst beständig die fehlende Fairness und eine mit ideologischen Vorurteilen überfrachtete Diskussion beklagt.
Bei aller Wahlfreiheit für Eltern, die Lohmann predigt, macht er unmissverständlich klar, welches Modell er für das Erstrebenswerte hält. Für ihn gehören Kinder in den ersten Jahren nach der Geburt in die Hände der Mutter und nicht in eine staatliche Krippe. Überhaupt: Mütter ohne Beruf würden ständig als rückständig diffamiert. Lohmann nimmt sich viel Zeit, um das gelebte - und unbestreitbare - Mutter- und Familienglück als den wahren Weg zu propagieren. Doch dies liest sich zuweilen auch wie eine Bevormundung. Und die will Lohmann doch beseitigt sehen. Zumindest jene von staatlicher Seite.