EU-PROGRAMM
Der Bundestag
hat die Pläne der EU für 2009 diskutiert. Die FDP fordert, eine Europa-Fragestunde im Plenum einzuführen. Eine Idee, die nicht alle für sinnvoll halten
Der junge Abgeordnete aus dem Europaauschuss des Bundestages ist ein wenig nervös: "Welche Maßnahmen wurden auf dem Europäischen Gipfel zur Bekämpfung der Cyberkriminalität ergriffen", fragt er aus der dritten Reihe des Plenums. Der amtierende Bundeskanzler erhebt sich von seinem Platz, die rote Lampe am Mikrofon leuchtet und in kurzen Sätzen erläutert er die Verhandlungslinie der Bundesregierung zum Missbrauch von Computerdaten auf dem Europäischen Rat in der zurückliegenden Woche.
Bislang steht eine solche Szenerie noch in den Sternen. Wenn es nach der FDP ginge, würden solche Europa-Fragestunden künftig viermal jährlich auf die Tagesordnung des parlamentarischen Kalenders kommen. In einem Antrag ( 16/8080) fordert die FDP, dass der/die Bundeskanzler/Bundeskanzlerin nach jedem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs den Abgeordenten im Plenum Rede und Antwort stehen soll - so ähnlich wie es bereits in Schweden und Großbritannien üblich ist.
Für Markus Löning (FDP) ist das neue an diesem Antrag die Möglichkeit zur Spontanität. Die Abgeordenten, so Löning, sollten die Möglichkeit haben "aufzustehen, und den Regierungschef tagesaktuell, ohne Vorbereitung, spontan zu fragen, ihn unter Druck zu setzen und eine Debatte zu führen", sagte Löning.
"Im Grundsatz" unterstütze er die FDP, erklärte Michael Roth (SPD) in der Debatte am 13. November: Wenn der Europäische Rat tagt, brauche man eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin, betonte Michael Roth. "Das ist keine Kür, sondern Pflicht", meint Roth.
Dass der EU-Ministerrat von zunehmender Bedeutung für die nationale Politik ist, hob auch Thomas Dörflinger von der CDU/CSU hervor. Es sei selbstverständlich, dass die Kanzlerin nach einem Europäischen Rat eine Regierungserklärung abgebe. Er bezweifelte jedoch, dass dies vor dem Plenum effektiver sei als die bisherige Regelung, bei der die Bundeskanzlerin oder ein Vertreter des Auswärtigen Amtes oder des Bundeskanzleramtes die Fragen der Abgeordneten des Europaauschusses beantwortet. "Ich weiß nicht, ob das Ergebnis für all diejenigen, die dann eine Frage stellen möchten, so befriedigend ausfällt, wie man sich das jetzt denkt", findet Dörflinger.
Mehr europapolitische Debatten im Bundestag wünscht sich die Fraktion die Linke, die ihre Zustimmung zu dem Antrag signalisiert. Nach Meinung von Alexander Ulrich habe der Antrag eines deutlich gemacht: "Die fehlende europäische Öffentlichkeit ist eine wichtige Ursache für die Fehlentwicklung in Europa", argumentierte er.
Rainder Steenblock bedankte sich für die Grünen bei der FDP, denn "es ist nicht mehr so leicht, Europa-Debatten in diesem Haus auf die Tagesordnung zu setzen", kritisierte Steenblock. Es sei nicht wahr, wenn von der Regierung behauptet werde, dass nach jedem Gipfel Bericht erstattet würde. Die Behandlung der Räte müsse im Bundestag erfolgen. Er forderte, vor den Sitzungen des Europäischen Rates im Bundestag eine Debatte über die Zielsetzung zu führen. "Wir wollen der Regierung Aufträge mitgeben, damit sie weiß, wie sie sich verhalten soll", sagte Steenblock zu dem Antrag, der anschließend zur weiteren Befassung an den Ältestenrat überwiesen wurde.
Schon jetzt war aber die Meinung des Parlaments zum Arbeits- und Legislativprogramm der Kommission 2009 gefragt. Zum zweiten Mal debattierten die Abgeordneten über die wichtigsten Initiativen für 2009 vorab im Plenum. Einem Jahr, das allerdings nur ein abgespecktes Programm zu bieten hat, da sich die Kommission in diesem Jahr neu konstituiert und Wahlen zum Europaparlament stattfinden. Zahlenmäßig hat sich die Kommission dennoch viel vorgenommen: 12 strategische und 37 vorrangige Initiativen sowie über 50 Vorschläge für Verordnungen und Richtlinien, die die Kommission gerne vereinfachen oder zurücknehmen möchte, listet das Programm auf. Dabei steht das Programm aber unter völlig neuen Vorzeichen: Als die Kommission Mitte Februar einen ersten Entwurf vorlegte, wurde von den meisten noch mit einem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon gerechnet. Nach dem Nein der Iren im Juni sind seine Zukunft und damit die europäischen Rahmenbedingungen ungewiss.
Vor allem die Finanzkrise hat das Programm erneut durcheinander gebracht. Die Förderung des Wachstums und der Beschäftigung wird als wichtigstes Ziel für 2009 propagiert. Im Finanzbereich sollen nach den Beschlüssen vom Oktober mehr Regulierung und Transparenz geschaffen werden. Beim Umweltschutz stehenMaßnahmen gegen den Klimawandel weiter ganz oben auf der europäischen Agenda. Wichtige Zielmarke ist hier die Weltklimakonferenz in Kopenhagen Ende 2009, auf der Europa mit einer Stimme sprechen soll. Weitgehende Änderungen sind auch im Bereich Justiz und Inneres geplant, wobei unter anderem die gegenseitige Anerkennung von Rechtsakten im Zivil- und Strafrecht erfolgen soll. Trotz der knappen Zeit versicherte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, dass die Kommission "bis zu ihrem letzten Arbeitstag aktiv sein werde". Ob dies auch Barrosos letzter Arbeitstag sein wird, steht bislang noch in den europäischen Sternen.