ITALIEN
Ministerpräsident Berlusconi wollte eine Reform des Wahlrechts für die Europawahlen - nun liegt sie vorerst auf Eis
Seit Wochen demonstrieren italienische Schüler und Lehrer zu Tausenden erfolglos gegen eine Bildungsreform. Jetzt hat nur eine einzige Debatte im Parlament dazu geführt, dass Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi die Reform des Wahlrechts für die Europawahlen im kommende Jahr erstmal verschoben hat. Der Grund: Berlusconi fürchtete in seiner Mitte-Rechts-Allianz Streit im eigenen Haus.
Die Idee klingt auf den ersten Blick plausibel: Die Reform sah vor, in Zukunft eine Fünfprozenthürde bei den Europawahlen einzuführen. Bisher gab es hier keinerlei Beschränkung, weshalb die Italiener im Jahr 2004 insgesamt 20 unterschiedliche Parteien nach Straßburg und Brüssel schickten: Vier größere und 16 kleinere mit einem bis vier Sitzen, wie beispielsweise die "Pensionärspartei". Zurecht monierte Berlusconi, als so bunter Haufen könnten die Abgeordneten wohl kaum die Interessen Italiens vertreten. Doch dabei hatte er wohl vergessen, dass er selbst mit einer Partei koaliert, die kein Interesse an einer Hürde haben kann. So war es die kleine sizilianische "Autonomiebewegung", die in der Debatte ebenso über die Fünfprozenthürde schimpfte wie die oppositionelle "Demokratische Partei". DoDie Opposition ließ an der Reform kein gutes Haar, zumal diese auch vorsah, die so genanntenVorzugsstimmen abzuschaffen, was in etwa den deutschen Erststimmen entspricht. Demnach sollten die Bürger nur noch eine Partei, aber keine Personen mehr wählen dürfen. Da es bei der Berlusconi-Partei "Forza Italia" aber keine Parteitage gibt, die die Kandidaten für die Europawahlen wählen, hätte am Ende nur Berlusconi bestimmt, wer einen neuen Posten in Straßburg bekommt. Auch der Vorschlagdie Zahl der Wahlkreise zu verdoppeln, stieß auf wenig Gegenliebe.
"Zutiefst undemokratisch" nannten deshalb Oppositionspolitiker den Gesetzentwurf und erklärten in einem Brief an alle Abgeordneten, dass sie durch den Gesetzentwurf massiv benachteiligt würden. Staatschef Giorgio Napolitano forderte die Parteien auf, im Parlament einen breiten Konsens zu finden. Doch war es letztlich nur der Protest der "Autonomiebewegung", der dazu führte, das die Regierung jetzt die Reformidee in eine Parlamentskommission verwiesen hat. Italien wird wohl 2009 nach dem gleichen Recht wählen wie 2004 - und wieder eine bunte Mischung aus Parteien nach Brüssel schicken.