RUMÄNIEN
Die Parlamentswahl entscheidet auch, wie entschlossen künftig die Korruption bekämpft wird
Sie galt als Galionsfigur des Anti-Korruptionskampfes in Rumänien: Monica Macovei trug als rumänische Justizministerin von 2004 bis 2007 entscheidend dazu bei, dass ihr Heimatland Anfang 2007 der Europäischen Union beitreten konnte. Nur wenige Monate später musste sie ihren Posten räumen, weil der parteilosen Ministerin die politische Unterstützung fehlte. Doch nach den rumänischen Parlamentswahlen am 30. November könnte sie auf die politische Bühne zurückkehren. "Die Demokratisch-Liberale Partei hat mich gefragt, ob ich wieder als Justizministerin antreten würde, und ich habe ja gesagt", berichtet sie.
Die 49-jährige Juristin spricht leise, aber bestimmt, persönliche Eitelkeiten sind ihr fremd. Als Rechtsanwältin spezialisierte sich Macovei in den 90er-Jahren auf die Verteidigung von Bürgerrechtsorganisationen und Minderheiten, bevor sie 2004 überraschend als einzige parteilose Ministerin in die Regierung des amtierenden national-liberalen Ministerpräsidenten Calin Popescu-Tariceanu einzog.
Dort profilierte sie sich als energische Kämpferin gegen Korruption: Sie sorgte für die Einrichtung einer nationalen Behörde, die Fälle von Bestechung verfolgen sollte. Mit zahlreichen Ermittlungen gegen ehemalige oder noch amtierende hochrangige Politiker machte sich die Behörde bei vielen Mächtigen des Landes unbeliebt. Kein Wunder, dass Justizministerin Macovei von der politischen Elite ein kalter Wind entgegenblies.
Seit dem EU-Beitritt Rumäniens Anfang 2007 scheint der Kampf gegen die Korrup-tion so gut wie erlahmt zu sein: Im Juli dieses Jahres übte die Europäische Kommission in ihrem "Fortschrittsbericht" harsche Kritik an Rumänien und Bulgarien. Kommissionspräsident José Manual Barroso forderte die rumänische Regierung auf, "ihre Anstrengungen auf den Gebieten der Justizreform und der Korruptionsbekämpfung zu intensivieren". Bei der "Verfolgung von Korruptionsfällen auf hoher Ebene" seien endlich "greifbare Ergebnisse" gefordert. Im August wurde mit Hinweis auf die unzureichende Verwaltung sogar die Zahlung von Agrarbeihilfen an Rumänien ausgesetzt. Trotzdem ist der rumänische Jounalist Dan Tapalaga überzeugt: "Der Einfluss der Europäischen Union auf die Bekämpfung der Korruption in Rumänien ist mit dem Beitritt verschwunden."
Auch im rumänischen Wahlkampf ist Machtmissbrauch und Käuflichkeit von Amtsträgern kein Thema. Die drei größten politischen Parteien wetteifern miteinander mit Wahlgeschenken bei Renten und Gehältern. Ende September stimmte das Abgeordnetenhaus für eine Erhöhung der Lehrergehälter um 50 Prozent. Susanne Kastner (SPD), Bundestags-Vizepräsidentin und Vorsitzende der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe im Bundestag, hält diese Entscheidung für "verheerend." Auch sie sei für eine angemessene Bezahlung der rumänischen Lehrer, doch auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes sei eine solche Entscheidung ein "eindeutiger Kauf von Wählerstimmen".
Auch der amtierende Ministerpräsident Calin Popescu-Tariceanu hält diese Entscheidung für "katastrophal" und bemüht sich, diese auszusetzen. Im rumänischen Parlament wird seine Regierung nach dem Zerfall einer Vier-Parteien-Koalition formal nur noch von etwa einem Viertel der Abgeordneten unterstützt. Popescu-Tariceanus Koalitionsregierung besteht aus der National-Liberalen Partei (PNL) des Ministerpräsidenten und der Partei der ungarischen Minderheit (UDMR). Als Spitzenkandidat seiner Partei könnte Popescu-Tariceanu wohl nur knapp zwanzig Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Sein aktueller Koalitionspartner muss sogar die Fünf-Prozent-Hürde fürchten: Mit der neugegründeten Ungarischen Bürgerpartei (PCM) ist eine Konkurrenz erwachsen, die mit dem Plan einer autonomen Verwaltung für das Gebiet der ungarischen Minderheit um Stimmen wirbt.
Unter diesen Umständen scheint es mehr als fraglich, ob der amtierende Ministerpräsident sein Amt verteidigen kann. Umfragen sehen Theodor Stolojan, den Spitzenkandidaten der Demokratisch-Liberalen Partei (PD-L) bei etwa 35 Prozent. Der Wirtschaftsexperte gilt als Wunschkandidat von Staatspräsident Traian Basescu. Mircea Geoana, ehemaliger Außenminister des Landes und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten (PSD), vereinigt aktuell etwa 30 Prozent der Wähler auf seine Partei.
Staatspräsident Basescu scheint allerdings schon vor den Wahlen genaue Vorstellungen über den zukünftigen Regierungschef zu haben. "Ich will dem Parlament einen Ministerpräsidenten vorschlagen, dem ich vertrauen kann", erklärte er in einem Fernsehinterview. Weder der amtierende Ministerpräsident Popescu-Tariceanu noch der sozialdemokratische Kandidat Mircea Geoana besäßen sein Vertrauen. Die Kritisierten sind empört und halten dagegen: Wer eine Mehrheit der Parlamentarier hinter sich vereinigen könne, müsse vom Staatspräsidenten als Ministerpräsident vorgeschlagen werden. Laut Prognosen könnte Basescus Wunschkandidat Stolojan nach den Wahlen eine Koalitionsregierung anführen. Seine designierte Justizministerin Macovei hätte dann eine zweite Chance, der Korruption in ihrer Heimat den Kampf anzusagen. Sie sollte schon einmal die Ärmel hochkrempeln.