Hinter Petra Merkel liegen stressige Wochen: Die Beratungen über den Haushalt 2009, der vom Bundestag vergangene Woche beschlossen wurde, standen ganz im Zeichen der Weltfinanzkrise, in letzter Minute legte das Finanzministerium 108 Änderungsanträge zum Etatentwurf vor, und dann erwischte die stellvertretende haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion auch noch eine heftige Erkältung. "In der letzten Woche der Haushaltsberatungen im Ausschuss bin ich ständig zwischen Bett, Fax und PC hin und her gependelt", erzählt die 61-Jährige. Ihre Stimme ist noch etwas heiser, in der Hand hält sie ein Glas Pfefferminztee. "Am Donnerstag war Bereinigungssitzung im Ausschuss, da wusste ich: Da muss ich fit sein. Es ist dann auch alles gut gegangen."
Anstieg der Nettoneuverschuldung um 8 Milliarden auf 18,5 Milliarden Euro: Ist das nicht ein schmerzliches Ergebnis für die Große Koalition, die spätestens 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen wollte? "Natürlich bedauere ich es, dass wir dieses Ziel nicht einhalten können", erklärt die gebürtige Berlinerin mit der auffälligen roten Brille. Um gleich hinzuzufügen: "Man muss auch den Mut haben zu sagen: Jetzt ist anderes wichtiger. Und das Wichtigste ist zurzeit, dass wir unser Land gut durch die Finanzkrise bringen. Da sind wir mit dem Investitionspaket, das wir geschnürt haben, auf dem richtigen Weg." Haushaltspolitische Erfahrung kann man Merkel, deren Namensgleichheit mit der Bundeskanzlerin öfters für Irritationen sorgt, nicht absprechen: Seit ihrem Einzug in den Bundestag 2002 sitzt die Großmutter eines zweijährigen Enkels im Haushaltsausschuss. Ein besonderer Glücksfall für die Berliner Abgeordnete: In dem mächtigen Gremium ist sie für den Kulturetat zuständig und kann "dadurch auch ein Stück Hauptstadt mitgestalten".
Ihr Lieblingsprojekt soll allerdings gar nicht in Berlin realisiert werden, sondern in Istanbul: Erstmals hat der Haushaltsausschuss Geld für die Errichtung einer Deutschen Kulturakademie freigegeben, die, so Merkel, "eine Brücke schlagen soll zwischen Deutschland und der Türkei". Wenn man ihr zuhört, wie sie voller Begeisterung von diesem Vorhaben erzählt, wird einem klar, wie es ihr gelingen konnte, in ihrem Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf zwei Mal hintereinander das Direktmandat zu gewinnen: Ganz besonders liegt ihr die Wahlkreisarbeit. Auf die Leute zugehen, mit ihnen reden, sich mit ihren Sorgen auseinandersetzen: Das, sagt Merkel über Merkel, macht ihr am meisten Spaß. Dass sie im Berliner Politikbetrieb nicht die Bodenhaftung verloren hat, liegt vielleicht auch daran, dass ihr Weg in den Bundestag alles andere als vorgezeichnet war. Aus finanziellen Gründen konnte sie nicht studieren, wurde kaufmännische Angestellte und legte nach der Geburt ihrer Tochter 1970 eine mehrjährige Familienpause ein.
Dann der mühsame Wiedereinstieg in den Beruf: Auf ihrer Schreibmaschine tippte Merkel zu Hause für andere Diplom- und Doktorarbeiten, später arbeitete sie als Sekretärin in einem schulpraktischen Seminar. Parallel dazu startete sie ihre politische Karriere: Zunächst als Bürgerdeputierte in der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg, später als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, wo sie sechs Jahre lang parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion war. Anlass für ihr politisches Engagement war die von den Sozialdemokraten angestoßene Bildungsreform. Die hatte zum Ziel, Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft eine akademische Ausbildung zu ermöglichen.
1974 trat Merkel in die SPD ein, spielte mit dem Gedanken, Abitur und Studium nachzuholen. Inzwischen erlebt sie ihren eigenen Lebensweg durchaus als Vorteil. Zum Beispiel, wenn sie mit Haupt- oder Realschülern aus ihrem Wahlkreise diskutiert. "Irgendwann kommt immer die Frage: 'Und was haben Sie studiert?'", erzählt sie. "Wenn ich dann sage, ich habe die Mittlere Reife, dann ist das für diese Jugendlichen ein echter Ansporn, weil sie sehen, dass man auch ohne akademische Ausbildung etwas erreichen kann.