WACHSTUMSPAKET
SPD will dem Abschwung nicht hinterhersparen
Wie schlimm wird die Krise? Die Einschätzungen gehen unter Politikern und Wirtschaftsexperten naturgemäß auseinander, aber auf einen Punkt wies der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß in der Debatte über das Wachstumspaket der Bundesregierung ( 16/10930) am 25. November hin: "Durch einen Dramatisierungswettlauf in der Einschätzung der konjunkturellen Entwicklung könnte weitere Investitions- und Kaufzurückhaltung geschürt werden. Das sollten wir alle gemeinsam vermeiden - im Interesse der Arbeitsplätze in Deutschland", appellierte Poß. Jeder historische Vergleich mit früheren Krisen habe seine Tücken: "Für diese Situation gibt es keine Parallele."
Das Wachstumspaket der Bundesregierung sei ein aussichtsreicher und schnell umsetzbarer Ansatz, gefährdete Beschäftigung zu sichern. "Ob das reichen wird, wird sich dann zeigen", sagte Poß. Der SPD-Politiker verteidigte die höhere Neuverschuldung und warnte davor, "dem Abschwung noch hinterhersparen zu wollen". Am Ziel eines Haushalts ohne Neuverschuldung werde aber festgehalten.
Für die Union stellte ihr Finanzexperte Michael Meister fest: "Wir bleiben bei unserem Kurs, dass wir Haushalte konsolidieren und strukturell den Bundeshaushalt ausgleichen wollen." Temporäre Mehrausgaben, die jetzt notwendig seien, müssten später wieder eingespart werden, verlangte Meister. Der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach verteidigte das Wachstumspaket: "Das Krisenmanagement hat funktioniert."
Der FDP-Abgeordnete Volker Wissing wies darauf hin, dass ganz Europa über Steuersenkungen diskutiere, "und wir bekommen hier ein zusammengeflicktes Konjunkturprogramm vorlegt". "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" sei ein "starker Titel für eine schwache Vorlage", kritisierte der Liberale. Die Koalition setze auf Placebo-Effekte.
Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn sagte zu dem Paket, sein Eindruck sei, "dass die Große Koalition keine klare Richtung hat, dass sie extrem schlecht koordiniert und nicht bereit ist, in einen europäischen Verbund von Konjunkturmaßnahmen einzutreten". Kuhn verlangt ein "effektives Konjunkturprogramm" mit Investitionen in den Klimaschutz, Bildung und höhere Ausgaben für soziale Infrastruktur und Gerechtigkeit.
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, kritisierte, dass die Koalition die Hedge-Fonds nicht verbiete oder deren Tätigkeit wenigstens einschränke. Auch sei den Banken die Gründung von Zweckgesellschaften nicht untersagt worden. Diese in Steueroasen angesiedelten Zweckgesellschaften hätten mit faulen Kreditbriefen gehandelt "Das hat uns mit in den Ruin getrieben." Gysi warf der Koalition vor, seit Jahren die Kaufkraft der Bevölkerung geschwächt zu haben.
Das Wachstumspaket sieht neben einer Steuerbefreiung für neu zugelassene Personenwagen die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter vor. Außerdem soll die Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen bei Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten ausgeweitet werden. In einer Anhörung des Finanzausschusses am 27. November begrüßte die überwiegende Zahl der Sachverständigen die steuerlichen Maßnahmen im Wachstumspaket, sie verlangten aber eine Ausweitung der Maßnahmen. Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung sprach sich sogar dafür aus, dringend weitere Maßnahmen nachzulegen. Das Paket der Bundesregierung löse bestenfalls ein Wachstum von einem halben Prozent aus. Dies sei angesichts der schlechten Wachstumsprognosen zu wenig. "Die Krise wird nächstes Jahr sein", sagte der Sachverständige. Der stärkste und unmittelbarste Wachstumseffekt gehe von einer Erhöhung der öffentlichen Investitionen aus, schrieb Horn in seiner schrfitlichen Stellungnahme und sprach sich für Investitionen mit einem Volumen von 10 bis 12 Milliarden Euro aus. Dazu sollten auch Bildungsinvestitionen gehören. Um bereits im Frühjahr 2009 das Konsumklima zu verbessern, sollten alle Haushalte mit Barschecks entlastet werden. Pro Haushaltsmitglied schlug Horn 125 Euro vor.
Der Zentralverband des deutschen Handwerks sprach sich dafür aus, den steuerlichen Solidaritätszuschlag auf zwei Drittel des heutigen Niveaus abzusenken. Das sei die Höhe, in der tatsächlich noch Mittel für den Solidarpakt notwendig seien. Die großen Wirtschaftsverbände wiesen in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf hin, dass die zu Beginn der Legislaturperiode vorgenommene Mehrwertsteuererhöhung den Konsum erheblich belaste. Die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung sei wichtig, um die Liquiditätsbasis der Unternehmen zu stärken. Die Befristung dieser Abschreibung auf zwei Jahre erscheine zu kurz bemessen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund erwartet bei der Abschreibung nur Mitnahmeeffekte und äußerte insgesamt große Zweifel, ob das Gesamtpaket ausreichen werde, um auf die gegenwärtigen Herausforderungen zu reagieren.
Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes sprach sich dafür aus, die steuerlichen Absetzmöglichkeiten haushaltsnaher Dienstleistungen zu vereinfachen. Statt die Absetzmöglichkeiten von Handwerkerrechnungen auf 20 Prozent von 6.000 Euro zu verdoppeln, sollte der Gesetzgeber besser die Vorschriften aus dem Familienleistungsgesetz übernehmen. Danach sind 20 Prozent von 20.000 Euro absetzbar. Der Hauptverband der Bauindustrie regte an, zur Stimulierung des Neubaus von Mietwohnungen eine Abschreibung einzuführen.
Die Koalitionsspitzen wollen bereits Anfang Januar wieder zusammenkommen, um über eventuell notwendig werdende zusätzliche Maßnahmen zu beraten. Die schlechten Nachrichten reißen derweil nicht ab. So teilte die Bahn mit, dass sie im Güterverkehr einen Rückgang bis 40 Prozent befürchtet. Ursache sind rückläufige Produktionszahlen der Industrie, so dass weniger Rohstoffe in die Fabriken gefahren und weniger Produkte wie Autos wieder abgeholt werden müssen. Auch der für die Kreditinstitute aufgespannte Schutzschirm wird immer stärker in Anspruch genommen. Inzwischen liegen Anträge von Banken auf Bürgschaften mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro vor.