Deutsche Contergan-Opfer sollen mehr Geld erhalten, der Auszahlungsmodus ist aber weiterhin umstritten. Knackpunkt war am 22. Januar im Bundestag die Frage, ob die Betroffenen die von der Firma Grünenthal zur Verfügung gestellten 50 Millionen Euro auf einen Schlag oder in 35 jährlichen Raten von 3.000 Euro ausgezahlt bekommen sollten.
1957 hatte das Pharmaunternehmen Grünenthal das Schlafmittel Contergan auf den Markt gebracht, dass auch vielen Schwangeren verordnet wurde. Weltweit kamen dadurch rund 10.000 Kinder fehlgebildet zur Welt. Der Bundestag nahm einen Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP ( 16/11223) an, der die Bundesregierung unter anderem auffordert, zu prüfen, ob künftig eine "automatisierte Dynamisierung" der Conterganrenten erforderlich ist. Abgelehnt wurde ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ( 16/8748), mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten den angemessenen finanziellen Schadensausgleich zu errechnen. Ein Antrag der Fraktion Die Linke ( 16/11639), mit dem die Abgeordneten eine sofortige Auszahlung der 50 Millionen Euro erreichen wollen, wurde zur Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen. Ein Antrag der Koalitionsfraktionen ( 16/8754) wurde für erledigt erklärt.
"Wir müssen leider immer noch feststellen, dass contergangeschädigten Menschen der Zugang zu benötigten Hilfen immer noch erschwert wird", sagte Antje Blumenthal (CDU/CSU). Sie sprach sich für eine bessere Beratung der Betroffenen und einen stärkeren Austausch zwischen Experten aus. Den Antrag der Linksfraktion bezeichnete sie als "überflüssig", weil nicht alle Betroffenen eine sofortige Ausschüttung der Sonderzahlen forderten. Auch Ina Lenke (FDP) sprach sich gegen eine sofortige Einmalzahlung aus. Diese Zahlung ergebe für jeden Betroffenen einmalig 18.000 Euro, während sie bei einer jährlichen Auszahlung über 35 Jahre jeweils 3.000 Euro erhalten könnten. Auch Marlene Rupprecht (SPD) sprach sich für das Modell der jährlichen Sonderzahlungen aus. Die Betroffenen hätten es nicht nötig,"alles auf einmal" zu erhalten, "denn ich nehme nicht an, dass sie übermorgen sterben". Ilja Seifert (Die Linke) plädierte für ein Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen. Es sei zu befürchten, dass Contergan-Geschädigte schneller alterten und früher sterben würden.
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte die fehlende Überprüfung der Contergan-Renten. Zwar sei es zu begrüßen, dass Koalition und FDP auf die Dynamisierung der Renten sowie auf ein europäisches Netzwerk für Dysmelie eingingen, doch sprächen Gerichte heute Klägern etwa im Falle eines groben Behandlungsfehlers bei der Geburt wesentlich höhere Entschädigungen zu als das nach dem Contergan-Skandal der Fall gewesen sei.