Ende der 1960er-Jahre war ein deutsches Parlament ohne den Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier kaum mehr denkbar. Seit 1954 hatte er das Amt inne gehabt, bevor er am 31. Januar nach der sogenannte Wiedergutmachungsaffäre zurücktrat.
Gerstenmaier war in die Kritik geraten, nachdem das Magazin "Stern" berichtet hatte, er habe als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus eine Wiedergutmachungszahlung erhalten. An sich kein ungewöhnlicher Vorgang, doch die Höhe der Zahlung, 281.000 Mark, rief breite Kritik hervor. Den Betrag erhielt Gerstenmaier für Honorare und Versorgungsbezüge einer theologischen Professur, die ihm die Nationalsozialisten 1938 trotz vorliegender Voraussetzungen verweigert hatten.
In der Presselandschaft regten sich starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zahlung. Auf einer Pressekonferenz versuchte Gerstenmaier, die Zweifel zu entkräften und sich zu rechtfertigen. Rhetorisch agierte er jedoch derart ungeschickt, dass die Wogen in der Öffentlich nur noch höher schlugen. So hatte er etwa gesagt: "Nazi hätte man sein müssen."
Der Vorwurf, Gerstenmaier habe sein Amt genutzt, um zu seinen Gunsten Einfluss auf die Formulierung des Wiedergutmachungsgesetzes von 1965 zu nehmen, erwies sich als haltlos. Der ehemalige Generalbundesanwalt Max Güde stellte nach seiner Untersuchung des Falles fest, dass der "Vorwurf unrechtmäßigen oder unehrenhaften Handelns nicht begründet" sei. Die 7. Novelle des Gesetzes war um die Formulierung "Personen, denen nach der Habilitation die Lehrbefugnis nicht erteilt worden ist", ergänzt worden.