Shoah-Überlebende
Raul Teitelbaums Kritik an Deutschland und Israel
Der israelische Journalist Raul Teitelbaum, geboren 1931 in Jugoslawien, gehört zu den Überlebenden des Konzentrationslagers Bergen-Belsen. Während sein Vater im Holocaust umkam, konnte der Autor mit seiner Mutter in Israel ein neues Leben beginnen. In seinem aktuellen Buch "Die biologische Lösung" greift der Journalist ein trauriges Kapitel der israelisch-deutschen Beziehungen auf. Im Kern geht es dabei um die deutschen Reparationsleistungen an den Staat Israel und die Entschädigungszahlungen an die jüdischen Organisationen.
Bereits Nobelpreisträger Elie Wiesel hatte in seinem "Plädoyer für die Überlebenden" kritisiert, dass kein einziger Überlebender der Schoah bei den Entschädigungs-Verhandlungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland zugegen war. Nach Teitelbaums Berechnungen erhielten zwei Drittel der in Israel ansässigen Schoah-Überlebenden keine angemessene Entschädigung für das ihnen zugefügte Unrecht. Obwohl es dort noch 259.991 Überlebende gibt, erhalten nur 91.741 eine Entschädigungs-Rente. In seinem gut recherchierten Buch macht der Journalist Deutschland für diesen Missstand verantwortlich, weil es sich weigert, die Rentenzahlungen auf einen größeren Personenkreis auszudehnen.
Um Objektivität bemüht, zeichnet Teitelbaum die historische und politische Auseinandersetzung um die Entschädigungszahlungen nach. Im Ergebnis führt dies zu dem Eingeständnis, dass der Staat Israel den größten Teil der von der Bundesrepublik Deutschland gezahlten Reparationen für sich beanspruchte. Diese Gelder sicherten in den ersten schweren Jahren nach der Staatsgründung die Existenz Israels in einem hochexplosiven Umfeld. Kompromisslos stellte David Ben Gurion die Interessen des jüdischen Staates an die erste Stelle. Diese Entscheidung teilen nicht alle Überlebenden: Anlässlich des Holocaust-Gedenktags 2007 protestierten einige Hunderte vor der Knesset und forderten von der israelischen und deutschen Regierung Rentenzahlungen.
Breiten Raum widmet Teitelbaum auch der Tätigkeit der von einigen Schoah-Überlebenden scharf kritisierten Jewish Claims Conference, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands an Einfluss gewann. Die am 25. Oktober 1951 gegründete "Conference on Jewish Material Claims Against Germany" vertrat bei den Verhandlungen des Staates Israel mit der Bundesrepublik Deutschland über ein "Wiedergutmachungsabkommen" die Entschädigungsforderungen des jüdisches Volkes.
Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch von Bundeskanzler Konrad Adenauer, der nicht nur eine Aussöhnung mit dem Staat Israel anstrebte, sondern mit dem jüdischen Volk insgesamt. Nachdem das Einverständnis der israelischen Regierung eingeholt worden war, konnte die Jewish Claims Conference als Vertreterin der 22 größten jüdischen Organisationen an den Verhandlungen teilnehmen.
Nach den Worten Teitelbaums erhielt diese Organisation "einen exklusiven Status, der im internationalen Recht seinesgleichen sucht, indem sie die individuellen Entschädigungsansprüche der Überlebenden vertrat und gleichzeitig als Rechtsnachfolgerin für das erblose Eigentum der Ermordeten fungierte".
Mit dem Luxemburger Abkommen von 1952 verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland, dem Staat Israel drei Milliarden D-Mark und an die Claims Conference 500 Millionen D-Mark zu zahlen. Es wurde vereinbart, dass "die individuelle Entschädigung für körperliche und psychische Schäden in der Globalzahlung an Israel enthalten sein müsse, soweit es die in Israel lebenden Hitleropfer betraf". Tatsächlich aber zahlte Deutschland nach Angaben des Bundesfinanzministeriums - Raul Teitelbaum nennt diese Zahl selbst - bis Dezember 2007 65,114 Milliarden Euro an "Wiedergutmachungsleistungen".
Raul Teitelbaum: Die biologische Lösung. Wie die Schoah "wiedergut- gemacht" wurde.
Zu Klampen Verlag, Springe 2008; 367 S., 24,80 ¤