PATIENTENVERFÜGUNG
Abgeordnete sind sich einig über das Ziel - aber noch nicht über den Weg
Zwei Abgeordnete brachten es auf den Punkt: Viele Menschen hätten Angst, am Lebensende durch hochtechnisierte Apparatemedizin gegen ihren Willen künstlich am Leben erhalten zu werden und nicht in Würde sterben zu können, erklärte Wolfgang Zöller (CSU). Die Menschen hätten "Angst vor der modernen Medizin", so Wolfgang Wodarg (SPD). Und tatsächlich haben Millionen Menschen eine Patientenverfügung hinterlegt, in der sie bestimmen, was mit ihnen geschehen soll, wenn sie das Bewusstsein verloren haben. Und was eben nicht. Es geht um den Einsatz von Herz-Kreislauf-Maschinen und Magensonden. Alle Bundestagsabgeordneten sind sich einig, dass es einen Tod in Würde geben muss. Nur über das Wie herrscht kein Konsens. Am 21. Januar wurden im Bundestag zwei weitere Gesetzentwürfe ( 16/11360, 16/11493) in erster Lesung beraten. Ein erster Entwurf ( 16/8442) war bereits im vergangenen Frühjahr eingebracht worden. Die Abgeordneten fordern darin, der Wille des Betroffenen müsse unbedingt beachtet werden - unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.
Einen Gesetzwurf zur Patientenverfügung haben zehn Abgeordnete um den CDU-Parlamentarier Wolfgang Bosbach erarbeitet. Nach dem Willen der Initiatoren soll es ausreichen, wenn in einer Patientenverfügung der Abbruch einer lebensverlängernden Behandlung verbindlich angeordnet wird. Voraussetzung soll sein, dass der oder die Betroffene eine umfassende ärztliche und rechtliche Beratung in Anspruch genommen hat und die Patientenverfügung vom Notar beurkundet wurde. Auch darf die Patientenverfügung nach dem Willen der Parlamentarier nicht älter als fünf Jahre sein. Erfüllt eine solche Verfügung diese Bedingung nicht, sollen Arzt und Betreuer nur daran gebunden sein, wenn "eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit" vorliegt, bei der der Patient das Bewusstsein nicht wiedererlangen wird. Bei heilbaren Erkrankungen zwingt eine ohne ärztliche Beratung erstellte Patientenverfügung den Arzt demnach nicht, eine Rettung abzubrechen.
Bosbach sagte in der Debatte, er wolle nicht mit dem Vorwurf leben, einem Gesetz zugestimmt zu haben, durch dessen Anwendung möglicherweise Menschen stürben, die weder sterben müssten noch in Kenntnis der Situation sterben wollten. Sein Kollege René Röspel (SPD) unterstrich, wer sich ärztlich beraten und seinen Beschluss notariell beurkunden lasse, bekomme mit der vorgeschlagenen Regelung "eine deutlich höhere Sicherheit, dass seine Patientenverfügung auch umgesetzt" wird. Otto Fricke (FDP) betonte, eine freiheitliche Lösung bedeute aber nicht, dass möglichst wenig Regeln gesetzt würden. Freiheit bedürfe der Aufklärung. Katrin Göring-Eckardt (Grüne) argumentierte, wer entscheiden wolle, brauche Informationen und müsse wissen, wofür oder wogegen er verfüge.
Sowohl der schriftlich als auch der - im Notfall - mündlich erklärte Wille eines Menschen sollen in Zukunft als Patientenverfügung gültig sein. Dies ist einer der zentralen Punkte des zweiten in der Debatte vorgestellten Gesetzentwurfes, den vier Abgeordnete um Wolfgang Zöller (CSU) erarbeitet haben. Zu den Unterzeichnern gehört auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage werde gesetzlich klargestellt, dass sowohl der Betreuer als auch der Bevollmächtigte verpflichtet seien, dem Willen des Patienten "Ausdruck und Geltung zu verschaffen", heißt es in der Vorlage. Bestehe Uneinigkeit zwischen Arzt und Betreuer über den Patientenwillen, so seien nahe stehende Angehörige hinzuziehen, um sich Klarheit zu verschaffen. Im Zweifel sei das Vormundschaftsgericht anzurufen. Monika Knoche (Die Linke) erklärte, eine Patientenverfügung sei für die Behandelnden verbindlich und unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung gültig.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, meint, dass man kein Gesetz über Patientenverfügungen brauche, da durch die geltenden, von Gerichten formulierten Voraussetzungen Rechtsklarheit bestehe. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hält demgegenüber eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen für notwendig. Patienten, Angehörige und Ärzte bräuchten mehr Rechtssicherheit bei Entscheidungen über das Lebensende. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz ist der Meinung, das parlamentarische Verfahren zeuge von einer "starken Sensibilisierung für die Schwierigkeiten, die jedem Versuch innewohnen, individuelles Sterben und Fragen des Lebensendes regeln zu wollen". Bis zum Sommer will das Parlament eine Entscheidung treffen. Für den 4. März ist zu allen drei Vorlagen eine Anhörung im Rechtsausschuss geplant.