In der EU ist neuer Streit über die ethischen Grenzen der Gentechnologie ausgebrochen. Das EU-Parlament empfahl am 23. April in Straßburg, im Kampf gegen seltene Erbkrankheiten auch die ethisch umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) anzuwenden. Die PID dient dazu, nach einer künstlichen Befruchtung gezielt "gesunde" Embryonen auszusuchen. In Deutschland ist dies verboten, weil die aussortierten Embryonen getötet werden.
In Großbritannien, den USA und anderen Ländern ist die PID dagegen bereits eine gängige Methode. Für Aufsehen hatte Anfang des Jahres die Geburt eines britischen Mädchens gesorgt, das nach einer künstlichen Befruchtung nicht mehr Trägerin des BRCA-1-Gens ist - einer genetischen Anlage für Brustkrebs.
Behinderten- und Sozialverbände hatten im Vorfeld heftig gegen den Parlamentsentwurf protestiert. Auch konservative und grüne Abgeordnete lehnten die Vorlage trotz ihres unverbindlichen Charakters ab. "Der Eugenik wird Vorschub geleistet", sagte die Grünen-Abgeordnete Hiltrud Breyer, Leiterin der Bioethik-Intergruppe des Parlaments. Es dürfe in Europa keine Debatte um "lebenswertes" und "nicht lebenswertes" Leben geben, erklärte sie. Der CDU-Abgeordnete und Ethikexperte Peter Liese bezeichnete die Stellungnahme des Parlaments als "schlimmes psychologisches Signal". Er rief die Bundesregierung auf, die Annahme der entsprechenden Passage im EU-Ministerrat zu verhindern. Nur in einem Punkt fanden die Kritiker Gehör: Das Plenum entschärfte den Wortlaut des strittigen Paragrafen, so dass nicht mehr von einer "Ausmerzung" von Erbkrankheiten die Rede ist. Auf diese Weise sollen Assoziationen mit dem Nationalsozialismus vermieden werden. Im Text heißt es nun, die EU unterstütze Bemühungen, "seltene Erbkrankheiten zu verhindern".