GENTECHNIK
Die Union ist gespalten, während SPD und Grüne alte Gemeinsamkeiten neu entdecken
Der 14. April war für den Marienkäfer ein guter Tag. Nach langen Diskussionen und gegen den Widerstand der Schwesterpartei CDU hatte die CSU-Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner an jenem Tag bekannt gegeben: MON 810, eine von dem US-Konzern Monsanto vertriebene genveränderte Maissorte, darf in Deutschland nicht angebaut werden. Mit dieser Entscheidung entsprach Aigner nicht nur dem Wunsch eines überwiegenden Teils der Bevölkerung und ihrer Parteispitze in München, sondern machte auch Linke, Grüne sowie den Koalitionspartner SPD glücklich, die ebenfalls gegen die Aussaat von MON 810 sind. Wer annahm, dass damit die Sache vom Tisch sei, sah sich jedoch getäuscht. Die ihrer Ansicht nach rund um das Verbot offenkundig gewordenen Meinungsverschiedenheiten in der Bundesregierung nahmen die Grünen zum Anlass, eine Aktuelle Stunde für den 23. April zu beantragen.
Sie wolle "einen klaren Satz der Bundesregierung", wie zukünftig mit genveränderten Pflanzen umgegangen werde, machte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast bei dieser Gelegenheit deutlich. Das Verbot nannte sie einen "Sieg engagierter Bürger". Die CSU habe erkennen müssen, dass das "Hin und Her" ein Ende haben müsse. Künast bezog sich dabei auf die Haltung von Aigners Amtsvorgänger Horst Seehofer, der 2005 für die Zulassung von MON 810 verantwortlich gewesen sei und sich inzwischen als bayerischer Ministerpräsident zum Gegner der Gentechnik entwickelt habe. Der "Angstschweiß vor der Abstrafung bei den diesjährigen Wahlen" habe wohl zu diesem Richtungswechsel geführt, vermutete ihre Parteikollegin Ulrike Höfken. Wo die Union und insbesondere die CSU nun genau steht, ist auch dem Koalitionspartner SPD nicht ganz klar. Seine Partei habe eine klare Linie bei der Gentechnik, sagte Ulrich Kelber - ebenso wie die CDU, auch wenn deren Ziele in die andere Richtung gingen. "Die Linie der CSU kenne ich oft am Morgen eines Tages noch nicht", kritisierte er.
Es sei bemerkenswert, dass seine Absicht, Aigners Verbotspolitik mit einem Antrag zu unterstützen, bei den CSU-Bundestagsabgeordneten keine Unterstützung gefunden hätte. Wie vertrackt die Situation bei der Gentechnik tatsächlich ist, hatte Kelber schon während der Diskussion über einen MON 810-Verbotsantrag der Grünen Ende März deutlich gemacht. Damals äußerte er "vollumfängliche Unterstützung" für den Antrag. Allein die Koalitionsvereinbarung mache es seiner Fraktion unmöglich, diesem zuzustimmen.
Die Entscheidung für ein Anbauverbot sei eine "Einzelfallentscheidung nach Abwägung aller Fakten" gewesen, sagte Ministerin Aigner. Es galt im konkreten Fall "Schaden abzuwenden und Widersprüche zu klären". Schaden, der auch für den Marienkäfer hätte entstehen können. (siehe Stichwort) Aber, so machte sie gleichzeitig deutlich: "Das Verbot ist keine Entscheidung gegen die grüne Gentechnik". Es gelte auch zukünftig Chancen und Risiken abzuwägen. Darin sei sie sich mit Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) einig.
Deutliche Kritik an dem Anbauverbot gab es von der FDP. Aigner habe eine "politische Entscheidung gefällt, die fachlich nicht begründet ist", bemerkte Christel Happach-Kasan. "Die Verbotspolitik der Bundesregierung führt dazu, dass Arbeitsplätze ins Ausland abwandern", sagte die FDP-Politikerin. Das sei angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise besonders schwerwiegend.
Mit Kritik an der CSU-Ministerin hielten sich die CDU-Redner erkennbar zurück. Es gehe in der Debatte weniger um das Verbot von MON 810 als vielmehr um die grundsätzliche Einstellung zur grünen Gentechnik, sagte Johannes Röring. Diese "Schlüsseltechnologie" sei für die Grünen schon immer ein "rotes Tuch" gewesen. Die Bevölkerung müsse über die Chancen der Technik aufgeklärt und nicht "getäuscht und verängstigt" werden.
Angesichts der von der Firma Monsanto eingereichten Klage gegen das Aussaatverbot in Deutschland forderte Eva Bulling-Schröter (Linksfraktion) die Bundesregierung auf, standhaft zu bleiben. Aigners Verbot zeige, dass man in Bayern "die Zeichen der Zeit verstanden hat". Bulling-Schröter sprach sich auch für ein Anbauverbot der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora aus, ebenso wie Elvira Drobinski-Weiß (SPD). Bei Amflora gebe es das Problem des "unkontrollierten Durchwachses". So lange dies nicht ausgeschlossen werden kann, dürfe die Kartoffel nicht angebaut werden, sagte die SPD-Politikerin.
Für Aigner sind die Kriterien, nach denen sie in diesem Fall entscheiden will, die selben wie beim Mais. "Auch bei Amflora gilt es, Chancen und Risiken abzuwägen", sagte sie. Aus München erschallt unterdes schon der Ruf nach einem Verbot.