FINANZEN
Die Koalition will so schnell wie möglich ein Gesetz gegen Steuerhinterziehung verabschieden. Bürger mit besonders hohen Einkünften dürfen Steuerprüfungen zu Hause erwarten
Der bisher letzte große Erfolg der deutschen Steuerbehörden im Kampf gegen Steuerhinterzieher und -flüchtlinge hing von einer selbstgebrannten CD ab. Diese enthielt Daten über deutsche Geldanleger und war aus dem im Ruf einer Steueroase stehenden Fürstentum Liechtenstein über die Alpen gebracht worde. Auf nicht gerade offiziellen Wegen landete der Silberling in einem Rechner der deutschen Steuerfahndung. Damit soll Schluss sein, wenn ein vom Kabinett beschlossener Gesetzentwurf auch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden sollte. Künftig sollen die Steuerbürger schon im Inland zu erheblich mehr Auskünften an das Finanzamt verpflichtet werden.
Das Gesetzgebungsverfahren soll schnell über die Bühne gehen. Die Koalitionsfraktionen Union und SPD kündigten in einer Sitzung des Finanzausschusses am 22. April an, die parlamentarischen Beratungen über den Gesetzentwurf auf jeden Fall bis zur parlamentarischen Sommerpause abschließen zu wollen. Die Union wies darauf hin, dass die erste Lesung im Bundestag bereits in der nächsten Sitzungswoche am 7. Mai stattfinde, da die Koalitionsfraktionen den Gesetzentwurf der Bundesregierung parallel als eigenen Entwurf einbringen würden. Gesetzentwürfe der Fraktionen werden zunächst im Bundestag beraten, während die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zuerst in den Bundesrat gehen. Auch die anderen Fraktionen sprachen sich für eine schnelle Beratung des Entwurfs aus.
Darin heißt es, der "Bedrohung der Besteuerungsbasis und der sich daraus ergebenden erheblichen Steuerverluste" müsse entgegengetreten werden. Die jüngsten grenzüberschreitenden Steuerhinterziehungsskandale hätten gezeigt, dass Maßnahmen zum Schutz der deutschen Besteuerungsbasis und damit auch zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unumgänglich seien, heißt es offensichtlich mit Blick auf den früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel, der hohe Beträge Steuer sparend im Ausland angelegt hatte.
Vorgesehen sind in dem Gesetzentwurf unter anderem stärkere Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen, die in anderen Staaten oder Gebieten Geschäfte machen, wenn diese Staaten und Gebiete die Standards der OECD über den Informationsaustausch in Steuersachen nicht einhalten. Die Aufbewahrungspflichten von Unterlagen über Kapitalanlagen im Ausland sollen verlängert und die Rechte der Steuerbehörden auf Außenprüfungen erweitert werden. Verweigert ein Steuerpflichtiger nähere Angaben zu seinen Geschäften in Steueroasen, können ihm zum Beispiel der Betriebsausgabenabzug, eine Entlastung von der Kapitalertragsteuer oder die Steuerbefreiung für Dividenden versagt werden.
Steuerpflichtige, deren Überschusseinkünfte mehr als 500.000 Euro im Jahr betragen, müssen in Zukunft die Unterlagen über die diesen Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre lang aufbewahren. Bei diesen Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften von mehr als 500.000 Euro sollen die Finanzbehörden auch Außenprüfungen vornehmen können. Diese werden damit für diesen Personenkreis generell zulässig. Bei Steuerpflichtigen, die sich nicht an die Aufbewahrungspflichten halten, wird "widerlegbar vermutet", dass steuerpflichtige Einkünften in Staaten oder Gebieten, die sich nicht an OECD-Standards halten, vorhanden oder höher als die erklärten Einkünfte sind.
Der Finanzausschuss beschloss außerdem einen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion eingebrachten Antrag zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ( 16/11389). Darin wird gefordert, die Zinsrichtlinie der Europäischen Union auf alle Kapitaleinkünfte auszudehnen und auf juristische Personen auszuweiten. Die Fraktionen von FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme. Ein Antrag der FDP zur Zentralisierung der Steuerverwaltung ( 16/11734) wurde von der Koalition und von den Grünen abgelehnt. Die Linksfraktion enthielt sich der Stimme. Ebenfalls von CDU/CSU, SPD und Grünen wurde ein Antrag der FDP zur Umsatzsteuer ( 16/9836) abgelehnt. Danach sollen Betriebe nur die eingenommene Umsatzsteuer abführen. Derzeit muss die Steuer abgeführt werden, auch wenn sie von den Kunden noch nicht gezahlt worden ist.
Keine Mehrheit fand ein Antrag der Linken zur Herstellung der "Gleichheit des Steuervollzugs" ( 16/9479). Die Fraktion kritisiert darin eine personelle Unterbesetzung der Finanzämter. Union und SPD lehnten ab, Grüne und die FDP enthielten sich. Auch der Antrag der Linksfraktion für eine Registrierungspflicht von Steuersparmodellen ( 16/9166) wurde von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt. Die Grünen enthielten sich. Dieses Abstimmungsbild ergab sich auch bei einem weiteren Antrag der Linken zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ( 16/9168). Darin werden Maßnahmen gegen Staaten vorgeschlagen, die keine Informationen austauschen.
Ein Antrag der Grünen gegen "Hintertüren" für Steuerhinterzieher ( 16/9421) wurde von Union und SPD abgelehnt, während sich die Linke und die FDP enthielten. Die Grünen fordern darin unter anderem, den Geltungsbereich der EU-Zinssteuerrichtlinie auf alle Personen und auf alle Kapitaleinkünfte auszudehnen.